Was für eine Theatersensation: Shakespeare-Stücke, auseinandergenommen und zum Monumentaldrama neu verspleißt. Dem belgischen Regisseur Luk Perceval gelang dieses Kunststück vor 25 Jahren, „Schlachten!“ hießt das bei den Salzburger Festspielen uraufgeführte wuchtige Werk, das Shakespeares acht Königsdramen zur zwölfstündigen Supershow zusammenführte, um die Macht und ihre Monster unter die Lupe zu nehmen.

Die römischen Tragödien

Es fällt entsprechend schwer, Percevals aktuelles, am Samstag am Wiener Volkstheater uraufgeführtes Projekt „Rom“ da nicht als eine Art Nachfolgeprojekt zu betrachten: Diesmal sind es Shakespeares sogenannte römische Tragödien „Coriolanus“, „Titus Andronicus“ „Julius Caesar“ und „Antonius und Cleopatra“, die Perceval mit Hilfe der Kärntner Autorin Julia Jost zur Suprastruktur gekoppelt hat. Das Ergebnis ist diesmal aber nur gut zweieinhalb Stunden lang – und fällt auch sonst weit weniger beträchtlich aus.

Majestätisch: Andreas Beck (vorne) als Coriolanus
Majestätisch: Andreas Beck (vorne) als Coriolanus © Volkstheater

Dabei ist der Ansatz spannend genug: Entwickelt wurde das Stück über zwei Spielzeiten hinweg – per offenem Prozess, der via Social Media, Blog und Twitch-Kanal fürs Publikum geöffnet wurde. Jost, die mit „Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht“ erst Anfang des Jahres ein aufsehenerregendes Romandebüt hingelegt hat, fügte Text-Clips von Shakespeare und weiteren Autorinnen und Autoren (darunter Ingeborg Bachmann, Hannah Arendt, Plutarch, Lenin) via Sampling und Überschreibung zu einem Stück zusammen, das sich vor einer marmornen Wand (Bühne: Philip Bussmann) und auf Lila-Zoè Krauß‘ unheilvoll dröhnender Soundlandschaft die erbarmungslose Dynamik der Macht zum Thema nimmt. Von dieser wird in den stücküberschreitenden Begegnungen der Protagonisten einer nach dem anderen konsequent zermalmt: Coriolan, majestätisch gespielt von Andreas Beck, fällt seiner eigenen Unerbittlichkeit zum Opfer, Brutus (empfindsam: Lavinia Nowak) den von Antonius (Frank Genser) „kreierten Gefühlen“ des Volks. Der wiederum verfällt in der stärksten Szene des Abends der Ägypterkönigin Cleopatra (hinreißend: Julia Riedler). In knöcheltiefem Wasser lässt Perceval die beiden einen Ringkampf zweier Ebenbürtiger austragen, in ihrem Keuchen allein offenbaren sich da die Lust und der Kampfgeist, die beide ins Verderben führen wird.

Ansonsten aber ist der Abend erstaunlich sparsam ausdifferenziert. Die dramatische Intensität ist gleichförmig hoch, ein Monolog reiht sich an den nächsten, es wird viel gebrüllt und (dank Mikroports) fast genauso laut geflüstert; so verdorrt der Abend nach und nach an seiner eigenen Überdeutlichkeit und erntet am Ende einigermaßen höflichen Applaus.