Reparaturbedürftiges umgibt uns: Umwelt, Klima, Ressourcen, Gesellschaft, Seelen. Was daran ist wiederherstellbar, was nicht mehr zu retten? Um diese Fragen kreist das renommierte Grazer Dramatiker|innenfestival heuer von 21. bis 26. Mai. Nach Ende der langjährigen Kooperation mit dem Grazer Schauspielhaus neu aufgestellt, widmet sich das Festival unter dem Leitmotiv „Umkehrbar“ dem Versuch, „das Blatt durch schöpferische Kraft zu wenden“, kündigt Gründerin Edith Draxl an. Neben der zeitgenössischen Theaterliteratur ist diesmal also auch dem Thema „Artivismus“ viel Raum gewidmet – der Verbindung von Kunst und Aktivismus.

Für letztere steht etwa die kenianische Umweltaktivistin und Schriftstellerin Phyllis Omido, im Vorjahr mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet: Sie erfocht 10 Millionen Euro Entschädigung für die Bewohner eines Slums, deren Lebensumfeld ausgerechnet durch einen Recyclingbetrieb vergiftet wurde. Nun eröffnet ihr Referat das Festival, das sich diesmal auch mit den Chancen und Risiken der Kreislaufwirtschaft befasst.  

Jenseits der Theaterräume

Sinnfällig ist das im Rahmen des EU-Projekts „Future.Repair.Machine.“ In Graz, Eindhoven, Budapest, Berlin und München soll mit künstlerischen Mitteln neues Bewusstsein für die Reparatur als innovatives Werkzeug des Wandels geschaffen werden - unter anderem in Sachen öffentlicher Raum, Stadtgestaltung, Kleidung und Körper. Das Festival-Projekt „In Search of Fulfillment“ findet daher jenseits der Grazer Theaterräume statt: Die Design- und Upcycling-Spezialistin Lisa D.  transformiert ab 15. Mai gemeinsam mit Freiwilligen einen LKW auf dem Mariahilferplatz zur Skulptur aus Altkleidern und entsorgten Schuhen; zugleich fungiert das Projekt als Workshopreihe. Beim Weben, Tuften, Upcycling lässt sich Wissen und Bewusstsein in Sachen Reparatur erwerben und vertiefen; folgerichtig begleitet das Dramatiker|innenfestival das Geschehen mit einer Konferenz. Und mit künstlerischem Programm, zu dem ein Onlineshopping & Amazon gewidmeter „Walk“ von Rimini Protokoll ebenso gehört wie das Performanceprojekt „Du Herbert“, mit dem das Schauspielhaus Wien und Autorin Lydia Haider letzte Saison für Furore sorgten: ein von außen einsehbarer Glascontainer wird dabei zum Schauplatz einer grotesken Studie über Männergewalt.

Edith Draxl: „Wenn wir von ,Umkehr‘ reden wollen, geht es nicht nur über unser Verhältnis zur Natur, sondern auch um das Verhältnis der Menschen zueinander“
Edith Draxl: „Wenn wir von ,Umkehr‘ reden wollen, geht es nicht nur über unser Verhältnis zur Natur, sondern auch um das Verhältnis der Menschen zueinander“ © KK

„Wenn wir von ,Umkehr‘ reden wollen, geht es nicht nur um unser Verhältnis zur Natur, sondern auch um das Verhältnis der Menschen zueinander, um Gewalt gegen Frauen, um die Entwertung des ,Anderen‘“, sagt Draxl. Sieben Stücke hat sie für das Festivals ausgewählt, nebst den „Manifestations“ des Grazer Performanceduos Navaridas/Deutinger etwa Teresa Doplers Endzeitszenario „Monte Rosa“ in einer Hamburger Produktion, sowie Magdalena Schrefels Drama um Behinderung und Repräsentation, „Die vielen Stimmen meines Bruders“.

Junge Partner

Zeitgenössische Dramatik gibt es aber nicht nur auf der Bühne. Im Film „Bad Roads“ der ukrainischen Dramatikerin Natalya Vorozhbit ersetzt die Kamera eine vom Krieg verunmöglichte Theaterinszenierung. Thomas Perles Text „Sidy Thal“ über einen antisemitischen Anschlag auf die gleichnamige jüdische Sängerin 1938 in Temeswar erfährt eine szenische Einrichtung bei den Minoriten, vier Drama-Walks wird es ebenso geben wie die gefeierte Festwochen-Produktion „Close Encounters“: Sie führt per Kopfhörer in die Gedankenwelten von Jugendlichen. Folgerichtig sind nun die Grazer Jugendtheater Next Liberty und Theater am Ortweinplatz die neuen Hauptpartner des Dramatiker|innenfestivals.

Dramatiker|innenfestival Graz. 21. bis 26. Mai. www.dramatikerinnenfestival.at