Man kann über den 1880 in Graz geborenen Robert Stolz denken, was man mag. Für Richard Strauss war er einfach ein „musikalischer Hochstapler“, Marcel Prawy, einer seiner größten Bewunderer, nannte ihn dagegen ein „Drei-Minuten-Genie“. Wohl hat Prawy genau erkannt, dass Stolz zwar kein genuiner Musikdramatiker war, doch sehr wohl ein Meister der Miniatur, der es zuwege brachte, mit einem Lied augenblicklich eine Stimmung zu etablieren. Stolz war sozusagen ein Popkünstler avant la lettre.

Der Dirigent und Komponist hatte große Erfolge mit leichteren Singspielen und Schlagern und vor allem das neue Medium Film beherrschte Stolz wie kaum ein zweiter. In „Venus in Seide“ versuchte er sich in der Nachfolge der damals schon fast klassisch gewordenen Wiener Tanzoperette. Jenem von Emmerich Kálmán perfektionierten Genre, in dem alte und zeitgenössische Tänze auf wundersame Weise zueinander gefunden haben. In „Venus in Seide“ sind es von Csárdás-Elementen unterwanderte Walzer, Tangos, English Waltzes und natürlich die unvermeidlichen Foxtrotts und Slowfoxes.

Das im Dezember 1932 in Zürich uraufgeführte Stück basiert auf einem Libretto, das tatsächlich für Kálmán gedacht war. 1932 war die Zeit der klassischen Silbernen Operette vorbei, und man kann sich bei „Venus in Seide“ nie ganz sicher sein, ob man hier reines Epigonentum hört oder eine augenzwinkernde, ironische Hommage an eine Form, die sich Anfang der Dreißiger-Jahre überlebt hatte. Dramaturgin Katharina John plädiert für zweiteres: „Außerdem ist der Tonfall nicht rein Wienerisch, sondern man hört schon die leichteren Klänge der Berliner Operette eines Eduard Künneke integriert.“ Und man könne aus der verworrenen, typischen Operettenhandlung des Stücks und seiner ironischen Darstellung auch etwas über die „Absurdität“ unseres Daseins erfahren, so John.

Im Stück, bei dem ab heute unter anderem die Operetten-Stars Ildikó Raimondi und Ferry Öllinger zu erleben sein werden, gibt es auch „Zigeuner“. Die hat man für die aktuelle Produktion jedoch in „Räuber“ verwandelt. John: „Das Stück hat uns das einfach gemacht, weil nicht so viel davon die Rede ist.“ Weil man den semantischen Operettentopos des „Zigeuners“ – der natürlich für Exotik, Fremdheit, Wildheit und die Sehnsucht nach der Grenzüberschreitung aus der bürgerlichen Existenz heraus steht – aufgrund des belasteten Begriffs nicht unbedingt erhalten wollte, hat man ihn mit einem unbelasteten Begriff ersetzt, der semantisch im Operettenkosmos ganz ähnliche Sehnsüchte bedient.

Robert Stolz
Robert Stolz © APA