Die „große Freude“ über die Ehrung war ihm anzusehen: Der Komponist und Dirigent Gerd Kühr (71) ist am Montag Nachmittag in Wien mit dem Großen Österreichischen Staatspreis 2023 ausgezeichnet worden. Die mit 30.000 Euro dotierte, höchste Kulturauszeichnung der Republik ergehe an einen „umfassend gebildeten und versierten, weltzugewandten Musiker“, dem als Künstler , „das Politische und das Künstlerische gleichermaßen“ gestalte, stellte Kührs Laudator Werner Grünzweig fest. Der Leiter des Musikarchivs der Akademie der Künste in Berlin verwies in seiner Lobrede besonders auf die Bedeutung des Musikdramatikers Kühr - im an Europas Opernhäusern oft sträflich vernachlässigten Bereich der zeitgenössischen Musik. Auch die stete Auseinandersetzung des Komponisten mit der jüngeren Vergangenheit hob Grünzweig hervor. Ein Aspekt, den auch Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) betonte: Kühr, ein „Beschreiter neuer Pfade“ und „Meister seines Fachs, der über die Grenzen seines Metiers hinausdenkt“, greife „prägende Ereignisse unserer Zeit musikalisch auf“ - etwa wenn er jüngst in Werken wie seinen „Corona-Meditationen“ oder „Versuch über das Unbegreifliche“ die Pandemie und den Krieg in der Ukraine reflektiere: „Die Gesellschaft – die Welt“, so Mayer, „braucht Kommentare aus der Kunst, diese Perspektiven, die über das alltägliche politmediale Getöse hinausgehen, dieses Entdecken und Bearbeiten des außerhalb der Musik liegenden Gewebes von Geschichten.“

ABD0110_20240129 - WIEN - ÖSTERREICH: (vlnr) Kunst- u. Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) und Komponist Gerd Kühr im Rahmen der Verleihung
ABD0110_20240129 - WIEN - ÖSTERREICH: (vlnr) Kunst- u. Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) und Komponist Gerd Kühr im Rahmen der Verleihung "Großer Österreichischer Staatspreis 2023" am Montag, 29. Jänner 2024, in Wien. - FOTO: APA/EVA MANHART © APA / Eva Manhart

„Kunst, die sich nicht politisch versteht, wird dekorativ und ersetzbar“, stellte Kühr selbst dann in seiner Dankesrede fest. Darin plädierte der Komponist („Mein Lebensprinzip ist Vielfalt“) dringlich für den Ausbau künstlerischer Bildung und dafür, „das Zuhören, Zusehen, Wahrnehmen zu erlernen und zu kultivieren“. Es brauche gerade in einer Zeit, in der Wissenschaft, Künste und sogar die Demokratie in Frage gestellt werden, Differenzierungsvermögen und eine Gesellschaft, so Kühr, „die ihr Heil nicht in der Abgrenzung sucht, sondern die neugierig auf Neues und Fremdes ist, es untersucht, erforscht und vielleicht auch verwirft.“

Mentor und Wegbegleiter

Standing Ovations für den Künstler, der in seiner Rede auch auf seine Kärntner Herkunft Bezug nahm. Auch in einem kompositorischen Gedankengebäude , das sich ständig weiterentwickle, präge sie sein Ausdrucksvermögen und seine Klangwelt, so Kühr - etwa in „Come una pastorale“, einem der Werke, das Mitglieder des Klangforum Wien bei der Feier im Gläsernen Saal des Wiener Musikvereins zu Gehör brachten.

Einigen Mitgliedern des Ensembles war Kühr selbst Mentor - an seiner langjährigen Wirkungsstätte, der Grazer Kunstuniversität KUG, „an der ich so gern gewirkt habe und an der es möglich war, Neues zu verankern, ohne an der Bürokratie zu scheitern.“ Künstlerische und universitäre Grazer Wegbegleiter wie die KUG-Bannerträger Ernst Kovacic und Robert Höldrich, styriarte-Intendant Mathis Huber wohnten der Feier ebenso bei wie „Open Music“-Leiterin Ute Pinter. Die Mitbegründerin von Hans Werner Henzes für Kühr prägenden „Jugendmusikfests Deutschlandsberg“, Barbara Faulend-Klauser, holte der Geehrte bei der Feier sogar an seine Seite.

Aus Kärnten wohnten nicht nur zahlreiche Familienmitglieder des Lesachtaler Künstlers der Verleihung bei, sondern auch Kunstsenats-Präsident Josef Winkler. Er würdigte nebst Kührs „Mut zur Innovation“ auch die Begründung des Gremiums für dessen Wahl zum Staatspreisträger: Sein Werk sei „Ausdruck einer großen Unabhängigkeit und Freiheit“.