Wenn einer noch unter dem legendären Otto Klemperer (1885–1973) gespielt hat, dann hat er was zu erzählen. Der Paradeposaunist Rudi Josel erinnert sich an seine erste Zeit bei den Wiener Philharmonikern, als man den von Schlaganfällen gezeichneten Dirigenten „für Mahler-Sinfonien einfach zum Pult gesetzt hatte“. Derweil dieser nur mehr „herumgewachelt hat, musste Willi Boskovsky alles vom Konzertmeisterpult aus dirigieren“, erinnert sich Josel. Da war der gebürtige Grazer gerade ein Jahr im Nobelorchester, 35 weitere als dessen erster Solo-Posaunist sollten folgen.

Doch Josels musikalisches Leben ging in zwei Parallelwelten über die Bühnen dieser Welt. Neben der Klassik führte ihn eine Karriere als Jazzmusiker bis in die Höhen der Slide Hampton Big Band und an die Seite von Dexter Gordon oder J.J. Johnson. Auch seine Arbeit in Hans Kollers Free Sound Big Band bleibt denkwürdig. Und mit dem ewigen Friedrich Gulda und seinem Euro-Jazz-Orchester kam es 1964 zu jenem legendären Konzert im Grazer Stephaniensaal, von dem die Anhänger der Revolution der Zeit heute noch schwärmen.

Und immer wieder das berüchtigte Josel Trio mit seinem Bruder Manfred (79), das zur österreichischen Institution wurde. Gelingt es einem schließlich, Rudi Josel zwischen Klassik und Jazz doch Farbe bekennen zu lassen, scheint sich die Welt doch ein wenig zu neigen. „In der Klassik mit den alten Dirigenten, da war ich hauptsächlich Klassiker“, beginnt es zu sprudeln. Der längst emeritierte Musiker spielt heute noch im Vienna Jazz Orchester „und manchmal mit einem Quartett mit Posaune und Rhythmusgruppe“. Zum heutigen 85sten Geburtstag gibts für Rudi Josel, der sich noch täglich eine Stunde mit Etüden und Opernarien fit hält, aber keine Musik: „Das ist das Lustigste, dass ma z’ammkommen ohne Musik“.
Otmar Klammer