Auch heimische Autoren und Autorinnen garantieren uns, dass die lesenswerten Bücherstapel in diesem Jahr nicht kleiner werden. Gleich Ende Jänner bringt der Hanser Verlag Michael Köhlmeiers „Das Philosophenschiff“ heraus. Historisch belegt sind die sogenannten Philosophenschiffe, mit denen sich in den 1920er Jahren die Bolschewiken unliebsamer Intellektueller entledigten. Eine davon war die Architektin Anouk Perelman-Jacob, die als Hundertjährige dem Autor ihre Geschichte erzählt. Ebenfalls Ende Jänner erscheint im Zsolnay Verlag ein neuer Roman von Elias Hirschl. „Content“, man ahnt es, dreht sich in satirischer Form um die Generation ChatGPT, um Clicks und eine Content-Farm. Der Residenz Verlag bringt ein Monat danach Vladimir Vertlibs „Die Heimreise“ auf den Markt, laut Verlag „eine Hommage an seine Mutter“ und gleichzeitig eine Satire auf die Sowjetunion der 1950er Jahre.

Michael Köhlmeier
Michael Köhlmeier © APA
Elias Hirschl
Elias Hirschl © APA

Der mit einem Preis beim Bachmann-Wettbewerb 2017 ausgezeichnete und in Friesach aufgewachsene Amerikaner John Wray macht ab März mit seinem Roman „Unter Wölfen“ auf sich aufmerksam (Rowohlt). Zugleich Künstlerroman, Liebesgeschichte und Thriller erwartet dabei die Leserschaft. Und Bücher von Frauen? Zwei Jahre nach John Wray wurde die Kärntnerin Julia Jost beim Wörthersee-Wettlesen mit dem Kelag-Preis ausgezeichnet. Nun erscheint ihr Debütroman „über das Aufwachsen in einer archaischen Bergwelt zwischen Stammtisch und Beichtstuhl“ (Suhrkamp): „Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf wächst“. Ebenfalls Kelag-Preisträgerin war 2015 die Grazerin Valerie Fritsch, deren neuer Roman „Zitronen“ im Februar bei Suhrkamp erscheint.

John Wray
John Wray © Gert Köstinger

Auf die nächste Neuerscheinung dürften nicht nur viele Leserinnen gewartet haben: Die Salzburgerin Mareike Fallwickl, deren Bestseller „Die Wut, die bleibt“ im vergangenen Sommer auch in dramatisierter Form bei den Salzburger Festspielen zu sehen war, legt mit „Und alle so still“ (Rowohlt) im April ihren neuen Roman vor. Es ist wieder ein feministischer Gesellschaftsroman, diesmal über eine Revolte der Frauen. Auch die Fans der österreichischen Krimi-Bestsellerautorin Ursula Poznanski können sich freuen: Schon im Februar gibt’s druckfrisch ihren KI-Thriller „Die Burg“ (Droemer Knaur). 

Ursula Poznanski
Ursula Poznanski © Alexandra Kasic
Mareike Fallwickl
Mareike Fallwickl © Gyöngyi Tasi

In der weiten Bücherwelt

Auch international gesehen, wird es Buchmenschen nicht langweilig. Ob er diesmal (endlich) den Literaturnobelpreis erhält, können wir nicht sagen, aber dass Haruki Murakami zu seinem heurigen 75. Geburtstag einen neuen Roman veröffentlicht, ist gewiss. Er trägt den Titel „Die Stadt und ihre ungewisse Mauer“ (DuMont) und handelt von einem Mädchen, in das sich der namenlose Erzähler mit 17 Jahren unsterblich verliebt. Er macht sich auf die Suche, gelangt in die Stadt und ihre geheimnisvolle Bibliothek, doch das Mädchen erkennt ihn nicht. Ein philosophischer Roman voll Melancholie. Ein hoch spannendes Schreib- und Denkexperiment: 1951 reiste der große US-Romancier James Baldwin in den damals 600-Seelen-Ort Leukerbad in der Schweiz und verfasste darüber 1953 den Essay „Ein Fremder im Dorf“. 60 Jahre später reist US-Autor Teju Cole nach Leukerbad und stellt in seinem Buch „Schwarze Körper“ (beide bei Kampa erschienen) fest: Viele Dinge haben sich geändert, der Rassismus aber besteht fort.

Als ganz großer Wurf wird der Roman „Demon Copperhead“ (DTV) von Barbara Kingsolver gehandelt. Eine Art Neuerzählung von Dickens‘ „David Copperfield“, angesiedelt in einer Trailerpark-Siedlung Virginias. Mitreißend und wortgewaltig! Gut bekanntes Figurenpersonal lässt Richard Russo in seinem neuen Roman „Von guten Eltern“ (DuMont) auftreten. Wieder eine hochsympathische Geschichte über Mittelklassehelden und -ungustl.

Haruki Murakami
Haruki Murakami © IMAGO

George Saunders, gerne und zu Recht König der Kurzgeschichte genannt, erzählt in „Tag der Befreiung“ (Luchterhand) einfühlsam und virtuos von realen und eingebildeten Gefängnissen. Im August 2022 wurde Salman Rushdie in New York auf offener Bühne von einem Attentäter niedergestochen und schwer verletzt, nun hält er seinem Angreifer das schärfste Schwert entgegen: In „Knife“ (Penguin) verwandelt er das traumatische Ereignis in dramatische Literatur. Eine Geschichte über Angst – aber auch Versöhnung. Abdulrazak Gurnah, Literaturnobelpreisträger 2021, kehrt mit dem Roman „Das versteinerte Herz“ (Penguin) in seine Heimat Sansibar zurück und erzählt eine pralle Geschichte voll Gewalt und Korruption.

Salman Rushdie
Salman Rushdie © IMAGO

Mit „22 Bahnen“ lieferte die Rostocker Autorin Caroline Wahl ein gefeiertes Debüt, in „Windstärke 17“ dringt sie tief in die Vergangenheit der DDR-Geschichte ein. Weltgeschichte und Menschengeschichte fein miteinander verwoben. Voll zerbrechlicher Schönheit und erdiger Poesie schreibt Iris Wolff in „Lichtungen“ (Klett-Cotta) über die Zeitlosigkeit von Freundschaft im kommunistischen Rumänien. Ortswechsel: Anne Weber kehrt in „Bannmeilen“ (Matthes & Seitz) der Pariser Innenstadt den Rücken und wendet sich der Peripherie zu, den berühmt-berüchtigten Banlieues, wo sie neben Not und Gewalt auch emotionale Reichtümer findet. Bookerpreisträgerin Bernardine Evaristo wiederum erzählt in „Zuleika“ (Tropen) die ungewöhnliche Geschichte eines schwarzen Mädchens im pulsierenden London des Römischen Reichs. Die Gesetzmäßigkeiten sind damals wie heute ähnlich. Es ging und geht um Geld, Sex und Macht.

Bernardine Evaristo
Bernardine Evaristo © AFP
Iris Wolff
Iris Wolff © Max Gödicke