„Der nennenswerte Künstler aber verfolgt seine Ziele, indem er sie aus den Augen verliert.“ So lautet der letzte Satz des Textes „Den Schrumpfkopf im Gepäck. Vorläufiges zu Wilhelm Hengstler“, publiziert in der aktuellen Folge 242 der „manuskripte“. Verfasst von Günter Eichberger zum 80. Geburtstag Hengstlers. Eines fraglos nennenswerten Künstlers, der viele Ziele aus den Augen verloren haben mag, viele aber erreicht hat. Nicht nur mit seinem Lieblingsfahrzeug, dem Fahrrad.

Wilhelm Hengstlers Schaffen darf schillernd genannt werden. Nach seinem Debüt als Autor - 1966 im Grazer Forum Stadtpark, präsentiert vom Studienkollegen Peter Handke - steuerte der promovierte Jurist Ziele in unterschiedlichsten Kulturregionen an. Als Autor von Prosa, Bühnentexten und Lyrik, als Film- und Theaterregisseur, Ausstellungsmacher, Essayist.

Der mehrfach ausgezeichnete Film „Fegefeuer“ (1989, nach Jack Unterwegers gleichnamigem Buch) ist ein starkes Stück österreichisches Kino. „Tief oben“ (1995, mit Barbara Steele, Peter Simonischek und Hans Platzgumer) war offenbar für Kritik und Publikum ein (wie schon die Besetzung zeigt) zu gewagter Mix. Aus heutiger Sicht darf der Film jedenfalls der Kategorie „Kult“ zugeordnet werden.       

Seit gut zwei Jahrzehnten arbeitet der Autor an „Zulm“ (das arabische Wort bedeutet sowohl „Tyrannei“ wie „Grausamkeit“). Die Ausschnitte, die 2004 im nicht mehr existierenden Magazin „korso“ erschienen, waren als „Indien-Krimi“ etikettiert. Heuer soll der Roman, der inzwischen unzählige Mutationen durchgemacht hat, wirklich erscheinen. Aber Hengstler war auch abseits der „Zulm“-Route unterwegs. Neben kleineren Texten war vor allem der Roman „flussabwärts flussabwärts“ (2015 bei Droschl) ein starkes Lebenszeichen des „manuskripte“-Preisträgers (2005). „flussabwärts flussabwärts“ ist der  Bericht einer Radfahrt die Donau entlang bis zum Schwarzen Meer und jener einer schweren Erkrankung davor. „Hanns durch die Zeit“ ist Titel einer eigenwilligen Film-Hommage an den legendären steirischen Kulturpolitiker Hanns Koren (2006).  

„Mach schon Alter: Bleib bei deinem wahrheitsgemäßen Bericht, aber ohne die Sentimentalitäten!“ ruft sich er Autor in den neuen „manuskripten“ zu. Im Text „Ruinöses Embodiment“, den Willi Hengstler im Sommer 2023 bei der traditionellen Lesung der Grazer Autorenversammlung (deren Chef-Dramaturg er seit vielen Jahren ist) zum Vortrag brachte. Autobiografisch Fundiertes, manchmal von bitterem Witz, immer ohne Selbstmitleid.

Schön, dem Unsentimentalen zum 80er gratulieren zu dürfen. Und ihm noch jede Menge Ziele zu wünschen.

In der aktuellen Ausgabe der „manuskripte“ hat Günter Eichberger einen Text über Wilhelm Hengstler verfasst
In der aktuellen Ausgabe der „manuskripte“ hat Günter Eichberger einen Text über Wilhelm Hengstler verfasst © KK