Weil das Ende trostlos war, lag auch dem Anfang kein Zauber inne: Fünf Monate sind vergangen, seit die „Wiener Zeitung“ ihre Print-Läden herunterzog und am nächsten Tag als Onlinemedium namens „WZ“ wieder aufmachte. Die emotional geführte Diskussion ist vorbei, der journalistische Alltag im (laut Eigendefinition) „digitalen Kompassmedium“ längst angelaufen. Aktuell sucht die auf klassische Ressorts verzichtende „WZ“ eine neue Leitung der Chefredaktion. Diese interimistisch von Katharina Schmidt und Sebastian Pumberger geführte Position ist mit mindestens 100.000 Euro Jahresgehalt ausgeschrieben.

In den ersten Monaten gelang es den 16 Redakteuren (darunter 15, die schon bei der „Wiener Zeitung“ waren) mehrfach, Aufsehen zu erregen, allen voran mit Investigativgeschichten um Gemeindebundpräsident Alfred Riedl und Kleingarten-Grundstücksdeals in Wien. Zu überzeugen versucht man mit konstruktivem Journalismus, also jener Strömung im Journalismus, die sich als lösungsorientiert definiert. Das Publikum ist jung, verweist Katharina Schmidt auf die Primärzielgruppe der 20- bis 30-Jährigen: „Auch junge Leute sind interessiert an Qualitätsjournalismus, man muss sie nur ernst nehmen und richtig abholen.“ Ob das auch gelingt, werde regelmäßig abgetestet. Vergleichsweise gering ist das Tempo: Ein bis drei Artikel sind es pro Tag, dem Transparenzbedürfnis kommt man mit „Transparenzseiten“ nach: Jeder Beitrag wird mit einer eigenen Quellenseite begleitet. Die Zwischenbilanz für die „WZ“ fällt für Schmidt klar positiv aus: „Ich bin sehr zufrieden mit den Ergebnissen, die wir bisher erreicht haben und freue mich auf das nächste Jahr, in dem wir einige spannende neue Features ausrollen werden.“

Nicht nur die Zielgruppe, auch die „Währung“ wechselte: Statt der Printauflage, die in der alten „Wiener Zeitung“ mangels Teilnahme an der Auflagenkontrolle für die Öffentlichkeit schwer fassbar war, zählen nun die Kontakte im Netz: Drei Millionen „Page Views“ waren es seit dem Start im Juli, auf Instagram stieg die Zahl der Abonnenten auf 17.600, der ­TikTok-Kanal kommt auf 11.300 Follower. In absoluten Zahlen spielen die großen Medien in einer anderen Liga: Die Kleine Zeitung steht bei rund 81.000 Insta-Followern, die „Zeit im Bild“ bei einer Million.

Apropos ORF: Der erhält 2024 über die Haushaltsabgabe rund 722 Millionen Euro. Auch für die „Wiener Zeitung“ kommt die öffentliche Hand auf: 16,9 Millionen Euro gehen an das Onlinemedium. Zum Vergleich: Bis vor Kurzem war die Presseförderung die einzige staatliche Fördermaßnahme für Printprodukte: Sie liegt bei 8,9 Millionen Euro.