Georg Lukács bezeichnete die Situation Intellektueller mit dem Bild eines Aufenthalts im „Grand Hotel Abgrund“, das Einrichtungen für jede „Form intellektueller Berauschung“ bereitstellt. Bars, Gelegenheiten zur Askese und Selbstpeinigung mögen noch genutzt werden, dann, so Lukács, folgte die ideologische Gleichschaltung, wenn nicht der Weltuntergang.

Gehen wir optimistisch von einem nur dystopischen Szenario aus, dem Intendantin Ekaterina Degot auch im Bereich der bildenden Kunst folgt, erweist sich ein erster Rundgang als durchwegs der Thematik assoziiert. Einen „Hedonismus in unruhigen Zeiten“ (Degot) thematisiert die Schau im Palais Attems, wo das slowenische Design-Kollektiv Grupa Ee Sujets bürgerlicher Ästhetik des 19. Jahrhunderts in Formen der Gegenwart transformiert. Gernot Wieland illustriert das verbreitete Faible für kulinarische Genüsse in der Vermutung unterdrückter Gefühle. Fotografisch porträtiert der Pole Artur Zmijewski außereuropäische Migranten in den Städten Europas.

Riccardo Giacconi behandelt die sogenannte Option in Südtirol während des Zweiten Weltkrieges im Kunstverein. Multimedial untersucht er gegenwärtige Phänomene des Heimatdenkens und wirft kritische Blicke auf historische und unserer Zeit entsprechende Fragen um Staatsbürgerschaft.

Eine temporäre Intervention am „Befreiungsdenkmal“ im Stadtpark hat der Wiener Eduard Freudmann vorgenommen. Vorübergehend ist das Denkmal ein pinkfarbener Obelisk, der die Aufschrift ÖDUOPFER trägt - als Verweis auf Österreichs Opferhaltung nach 1945 einer bei Jugendlichen gebräuchlichen Beschimpfung nachempfunden. Ebenfalls im öffentlichen Raum, auf dem Griesplatz, hat Andreas Siekmann seine Installation „Nach Dürer“ eingerichtet. Plastisch nachgebildet ist Albrecht Dürers nie ausgeführter Entwurf eines Denkmals „... für die besiegten Bauern“, der infolge der Deutschen Bauernkriege entstand. Siekmann umgibt sein Denkmal mit Objekten, die auf Ausbeutung von Entwicklungsländern verweisen.

Jeremy Deller im Künstlerhaus.
Jeremy Deller im Künstlerhaus. © steirischer herbst

In der List-Halle ist Michael Portnoys Videoarbeit „Progressive Touch“ für Besucher ab 18 Jahren zu sehen. Eine zwischen Musik und Bewegung choreografierte Paraphrase menschlicher Sexualität. Die grausame Vorgeschichte des Wellness-Wesens verhandeln Daniel Mann und Eitan Efrat im Forum Stadtpark am Beispiel des Heilstollens in Bad Gastein, 1942 von Zwangsarbeitern gegraben. Im Künstlerhaus gibt Jeremy Deller Einblick in die Verbreitung des Rechtspopulismus in Großbritannien. Jasmina Cibics Installation handelt von politischen Schenkungen der Kunst- und Architekturgeschichte Europas.

Im Detail wird über dieses üppige Hauptprogramm noch so einiges zu berichten sein.