Das ist auch kein Dreck: Über 60.000 Tonnen hoch radioaktiver Atommüll werden derzeit in Europa zwischengelagert. In Finnland befindet sich das weltweit erste Endlager, auf der Insel Olkiluoto wurde dafür fast einen halben Kilometer ins Gestein gebohrt.

Die schwedische Serie „White Wall“ ist zumindest in dieser Hinsicht alles andere als fiktiv. In der schwedischen Einöde bereitet man sich auf ein großes Ereignis vor, das erste Atommüllendlager steht vor seiner feierlichen Eröffnung. Aus der Vogelperspektive wirken die Hunderten Sicherheitscontainer fast idyllisch. Oberflächen, sie können so schön täuschen. Hunderte Meter tiefer wird weitergebohrt, und ein kleines Team findet, was man lieber nicht finden will: Eine gigantische weiße Mauer, die fortan zur spannenden Projektionsfläche wird.

Ohne große Hollywood-Mystery-Inszenierung klopft die Handvoll Experten die naheliegenden Vermutungen ab, Oberflächenpolitur sozusagen. Nach oben hin hält man den Fund geheim, um die Eröffnung nicht zu gefährden. Eine Analyse ergibt: Dieses Material ist nicht von dieser Welt. Der, der es analysiert, sagt auch: „Ihr braucht einen Archäologen, einen Anthropologen und einen Theologen.“ An der Oberfläche machen unterdessen die Atommüllgegner mobil.

Unter Tage verschließt man die Augen vor dem Offensichtlichen: Soll man den Tunnel zuschütten und so tun, als wäre nie etwas gewesen? Es so halten wie mit dem Atommüll – aus den Augen, aus dem Sinn? Oder das Ding doch anbohren, massiv an der Oberfläche kratzen, es in die Luft jagen, weil man als Mensch ja alle Rechte dazu hat? Und hat man die, ganz grundsätzlich gefragt?

Aber schleichend beeinflusst die Wand all jene, die mit ihr in Berührung kommen. „White Wall“ verdichtet sich zum Karussell der essenziellen Fragen. Die weiße Wand fungiert hier auch als physische Übermacht, die die Menschen davor so erscheinen lässt, wie ihre Rolle im Universum ist: winzig. In einer Hauptrolle ist Vera Vitali zu sehen, die Tochter von Leon Vitali, dem persönlichen Assistenten von Stanley Kubrick.

★ ★ ★ ☆ ☆ (3/5)

"White Wall" ist in der Arte-Mediathek zu sehen