Fade Action-Showdowns, halbgare Effekte, vorhersehbare Geschichten nach Schema F: Das Marvel-Universum vertraut seit geraumer Zeit auf eine Formel, die langsam aber sicher Ermüdungserscheinungen zeigt. Kreative Abwechslung oder gar Innovation sucht man im ausgelutschten Superheldenkosmos vergebens. Doch nun überrascht der Comicriese mit einem Beitrag, der erstaunlich experimentierfreudig daherkommt – narrativ wie auch formalästhetisch. Mit "Werewolf by Night" (Disney+) wagt sich Marvel erstmals in waschechte Horrorgefilde, wenngleich auch unter dem Deckmantel eines Halloweenspecials.

Im Vordergrund steht ein gefährlicher Wettkampf unter Monsterjägern. Wer auch immer als Sieger hervorgeht, darf ein sensationelles Relikt mit nach Hause nehmen: einen Blutstein, der über außergewöhnliche Mächte verfügt. Auch Jack Russell (Gael García Bernal) zieht als Teilnehmer in den Kampf, trägt jedoch ein düsteres Geheimnis mit sich: Bei Vollmond verwandelt er sich in einen Werwolf und somit einem Erzfeind seiner Gleichgesinnten.

In knappen 53 Minuten verneigt sich der Gruselspaß respektvoll vor den frühen Monsterfilmen der Kinogeschichte – samt Schwarz-Weiß-Ästhetik und einem stimmigen Score von Oscar-Preisträger Michael Giacchino (dieser gibt hier übrigens gleichzeitig sein Debüt als Regisseur). Auch das über praktische Effekte entstandene Creature-Design kann überzeugen und verleiht dem Ganzen einen rustikalen Charme. Einzig der Marvel-typische Humor wirkt hier an so einigen Stellen deplatziert und raubt dem Film zuweilen seine atmosphärischen Qualitäten. Unterm Strich bietet die Monster-Hommage alteingesessenen Genre-Fans solide Unterhaltung. Ein willkommenes Stilexperiment für den Superheldengiganten.

Bewertung: ★ ★ ★ ★ ☆ (4/5)

"Werewolf by Night" ist auf Disney+ zu sehen.