Auch 24 Jahre nach dem Völkermord in Ruanda werden immer noch Massengräber gefunden, zuletzt im September, wo man die Gebeine von rund 5400 Menschen ausgegraben hat. Innerhalb von 100 Tagen wurden damals bis zu einer Million Tutsi und gemäßigte Hutu von Angehörigen der Hutu-Mehrheit ermordet.

Schauplatz London. Die Gräuel in Ruanda sind hier, wie anderswo, kein Thema mehr. Doch Kate Ashby (Michaela Coel) trägt sie mit sich, in sich. In Ruanda geboren, hat sie beim Massaker ihre Eltern verloren, eine Britin hat sie adoptiert. Doch die junge, scheinbar selbstbewusste Juristin ist ein Wrack, denn zum Überleben gesellt sich ein anderes Grauen: die Überlebensschuld. Zu viele Fragen sind offen, nicht einmal ihren richtigen Namen weiß sie, „denn es ist auch keiner da, der in wissen könnte“.

Und dann verschärft sich die Lage: Ihre Adoptivmutter Eve (Harriet Walter) übernimmt vor dem Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag die Anklage gegen einen Tutsi-General, der maßgeblich daran beteiligt war, den Massenmord zu stoppen, sich dann aber als Warlord verdingte. Für Kate ist er ein Held, denn „ohne ihn hätte ich nie überlebt“. Ist er Opfer oder Täter? „Die Region will einfach weitergehen, neu anfangen“, argumentiert die Mutter. Doch was ist eine Veränderung wert, wenn sie von außen kommt? Oder ist, wie ein junger Mann bei einer Podiumsdiskussion der Staatsanwältin entgegenschleudert, alles Bemühen nur „neokolonialer Bullshit“?

Doch so einfach macht einem die Serie das nicht: Sie wirft nicht nur für ihre Hauptdarsteller mehr als unangenehme Fragen auf, sondern spielt Katz und Maus – auch mit dem Zuschauer. Denn es ist mehr als nur ein Verdacht: Rund um Kate wissen alle mehr, als sie zugeben wollen, darunter der väterliche Freund John Ennis (John Goodman). Doch Eve stellt sich ihrer Vergangenheit. Viel zu oft kommt ihr als Ausrede eine Phrase unter, die wie ein Vakuum wirkt und weiteren Debatten wie einer Kerze die Luft nimmt: Die Sache ist komplex.

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