Wenn sich ein US-Amerikaner aus der Nähe von Seattle (Ian Hooper), ein italienischer Wirtschaftswissenschaftler aus Mailand (Claudio Donzelli) und ein Engländer (Craig Saunders) eher zufällig in Hamburg über den Weg laufen und eine Band gründen, rechnet man nicht unbedingt damit, dass dieses Trio zehn Jahre später von seiner entspannt-engagierten Folk-Rock-Musik leben kann und bereits das vierte Album, das „Mexico“ heißt, veröffentlicht. Ist aber so. Wir unterhielten uns mit Sänger Ian Hooper (34), der zurzeit auch in der VOX-Musikshow „Sing meinen Song“ zu erleben ist.


Ihre Söhne sind drei und vier Jahre alt. Wie gut gelingt es Ihnen, das Leben als Vater mit dem Leben als – normalerweise – eifrig tourender Musiker in Einklang zu bringen?
Ian Hooper: Wenn ich weg bin, und das ist dann ja meist gleich für ein paar Wochen am Stück, landet tatsächlich sehr viel Arbeit rund um die Familie auf dem Teller meiner Frau. Aber wenn ich zu Hause bin, dann bin ich auch wirklich da und habe richtig Zeit für meine Kinder. Manchmal kommen sie auch mit zum Konzert und gehen da richtig ab. Die Kids finden es super, wenn ich auf der Bühne stehe, und sind danach noch tagelang voll im Showmodus, springen auf den Tisch und singen lauthals drauflos.

Sie leben mit Ihrer Familie in einem Häuschen fernab des Trubels im Nordwesten Berlins. Ist das noch Rock ’n’ Roll oder schon Bürgerlichkeit?
Wenn ich mich mit meinen Kumpels aus den USA vergleiche, von denen einige schon kurz nach der Schule geheiratet haben und mit Anfang 20 schon lebten wie andere mit 50, dann möchte ich doch betonen, dass ich mein Leben ziemlich cool finde. Klar, ich bin jetzt 34 Jahre alt, Papa und nicht mehr der Jüngste in der Szene. Aber ich habe noch immer sehr viel zu erzählen und scheue mich auch nicht, älter zu werden. Neue Erfahrungen bringen schließlich auch viele neue Impulse.

Wie war denn die Erfahrung als Teilnehmer der VOX-Show „Sing meinen Song“?
Das war eine richtig schöne Zeit. Mich hat es auch überhaupt nicht gestört, dass dieses Mal nicht in Südafrika gedreht wurde, sondern an der Ostsee. Vom realen Südafrika bekommst du bei so einem abgeschirmten Dreh ja sowieso fast nichts mit. Und besser für die Umwelt war es auch, nicht mit den ganzen Leuten dort runterzufliegen.

Man hört kaum noch, dass Sie Amerikaner sind.
Ich lebe ja auch schon lange genug in Deutschland, seit 2008. Von Anfang an war es mir auch wichtig, die Sprache zu lernen.

Ist der Song „Land of Broken Dreams“ Ihr Blick als Exil-Amerikaner aufs Heimatland?
Ja, und es ist ein kritischer Blick. Ich liebe die USA, doch sie sind kein Sozialstaat, den man mit Deutschland vergleichen kann. Ohne Arbeit fällst du dort sehr schnell in ein tiefes Loch. Hier bekommst du wenigstens noch Hartz IV, was so manchen Tontechniker oder Roadie aus unserer Crew seit einem Jahr wenigstens halbwegs am Leben hält. Mehr noch als in Deutschland geht die Mittelschicht in Amerika rapide verloren.

Die Mighty Oaks existieren seit zehn Jahren. Hätten Sie das am Anfang für möglich gehalten?
Ich weiß gar nicht, wo die Jahre hingegangen sind. Wir haben einfach Schwein gehabt. Auf unserem ersten Album hatten wir mit „Brother“ einen Hit im Radio, wir haben sehr hart gearbeitet und sind organisch gewachsen. Unsere Band hat eine gesunde Größe, ich fühle mich gerade unheimlich wohl dabei.

Das neue Album hört sich nicht mehr so glatt an wie die letzten beiden, sondern wieder so innig und reduziert wie euer Debüt „Howl“. War das so beabsichtigt?
Wir hatten jetzt zum ersten Mal seit „Howl“ wieder richtig Zeit und Ruhe, um die Lieder zu schreiben und gemeinsam zu entwickeln. Die letzten beiden Alben hatten wir zwischen Tür und Angel aufgenommen – im wörtlichen Sinn. Oft sind wir ungeduscht mit dem Tourbus zum Studio gefahren, dort ausgestiegen und haben direkt losgearbeitet. So wurden die Resultate selten einheitlich. Diese Platte habe ich in einem Rutsch bei mir zu Hause geschrieben, dort, in meinem Studio im Keller, haben wir sie auch aufgenommen.

Manche Stücke klingen recht dunkel. Wie haben Sie sich beim Schreiben gefühlt?
Unsicher. Ich habe mich auseinandergesetzt: mit mir selbst, mit Corona, mit Black Lives Matter; damit, was es heißt, Amerikaner zu sein. Im letzten Sommer herrschte viel Ungewissheit, und Trump war noch Präsident. Jetzt kommt langsam mehr und mehr Hoffnung auf. Meine amerikanischen Freunde zum Beispiel sind alle schon geimpft.

Warum habt ihr das Album eigentlich „Mexico“ genannt?
Der Titelsong ist purer Eskapismus. In harten Zeiten musst du auch einmal abschalten können und im Kopf die Flucht ergreifen – beispielsweise an einen mexikanischen Palmenstrand. Darum der Albumtitel. Ich schrieb den Song, als die Deutschen und Österreicher wie verrückt Klopapier horteten. Und die Amerikaner sich mit Munition für ihre Waffen eindeckten.