So sollten Rockplatten immer gehört werden: In einem grindigen Kellerloch, umzingelt von riesigen Boxen, Lautstärke bis zum Anschlag – und dann donnern die Songs unbarmherzig in die Gehörgänge. „Tribal Instincts“, das neue Doppelalbum der Grazer Indie-Ikonen The Base, sollte verpflichtend nur so gehört werden dürfen.

Was für ein wilder Bastard, was für ein gefährliches Biest, was für eine dunkle Schönheit! Das Trio Norbert Wally (Texte, Gesang, Gitarre), Albrecht Klinger (Bass) und Karlheinz Miklin Jr. (Schlagzeug) hat im Laufe seiner 23-jährigen Karriere schon etliche Brocken in die heimische Musiklandschaft gerollt, aber dieser ebenso diabolische wie melancholische Songreigen ist schlicht und ergreifend ein erwachsenes Meisterwerk, das das Trio auf dem Höhepunkt von Können und Wahrhaftigkeit zeigt.

Aufgenommen wurden die 14 Songs in zehn Tagen in einem uralten Bauernhaus im slowenischen Karst. Ein Ort, der perfekt zu den Songs passt. „Wir hatten wieder große Lust auf ein Fundi-Trio-Album“, erzählt Frontmann Norbert Wally. Keine Gastmusiker, keine Schnörkeleien, keine Overdubs. Ein purer, dreckiger Dreier also. Hart, aber herzlich. Rau, aber raffiniert. Die Räumlichkeiten des Hauses, die Art der Aufnahme, all das spürt man in den Liedern. Sie atmen, sie riechen, sie stöhnen, sie wimmern, sie leben.

© Marija Kanizaj



Die erdigen Songs sind getragen von einer großen Lässigkeit, die aber nie in Gleichgültigkeit oder Zynismus ausfranst. Kraftstrotzende Stoner-Hadern stampfen durch die Boxen, dann wieder wälzt sich Chefmelancholiker Wally mit brummiger Leidenschaft in sumpfigen Flüssen, aber selbst die haben kein Mitleid mit ihm. „The Hell’s a Nasty Home“, mit diesem mäandernden, zehnminütigen Epos des Irrsinns endet eine Wahnsinnsplatte.

Dass das Album so wunderbar räudig klingt, hat auch mit dem Aufnahmeort und der Aufnahmetechnik zu tun. Wie genau das abgelaufen ist, erklärt Norbert Wally: "Eingespielt haben wir das Album live im Stall unserer angemieteten Hacienda im slowenischen Karst. Von dort aus ging mein Gitarrenkabel in eine DI (Direct Input)-Box rein und mit zwei getrennten Kabeln wieder raus und wieder in zwei Kasteln rein, die das Signal dann wieder gesplittet haben, so dass dann letztendlich vier verschiedene Kabel den Sound transportiert haben. Einmal direkt ins Mischpult und drei Signale gingen in diverse Räume im Haus, wo sie in drei Gitarrenverstärkern mit gänzlich unterschiedlicher Charakteristik gelandet sind. Vor diesen Verstärkern waren dann jeweils ein bis drei Mikros platziert, die dann wieder die Signale ins Mischpult transportierten. Auf diese Art haben wir mit nur einem Gitarren-Take gleich sieben bis acht Spuren gelegt. Und auf die selbe Weise sind wir auch mit dem Bass-Signal umgegangen. Und mit den Vocals auch."

© Marija Kanizaj

Nach den fetten Big-Band-Ausflügen und dem eher üppigen Vorgängeralbum "Disco Bazaar" wurde "Tribal Instincts" solcherart zum steinharten Brocken, der aber gleichzeitig eine fast magische Verletzlichkeit ausstrahlt. Der Sound ist authentisch und klar, die Songs sind mitunter "tricky" arrangiert, marschieren aber stets voll majestätischem Selbstbewusstsein Richtung Ziel. Auf dem Doppelalbum sind die 14 Songs in vier Kapitel eingeteilt, die unterschiedliche Gefühlstemperaturen aufweisen. Wie diese Songs entstanden sind und was dahinter steckt, verrät Wally in folgender Track-by-Track-Erklärung:

1. Coming Over You:
"Dieser Song war einer der ersten vom neuen Album, den ich der Band vorgespielt hab. Und den haben wir vor der Aufnahme auch schon ein paar Mal live gespielt. Diesen Song, ein ziemliche Kracher, hatten wir auch dementsprechend schnell im Kasten."

2. My Old Monsters:
"Da geht’s um die ewig alten Sorgen und Ängste, die einen meistens im Bett überfallen, wenn man eigentlich nichts Böses denken will."

3. Morons Like Me:
"Ich hab mich später daran erinnert, dass ich den Titel schon für "Where is My Weather" hatte - nur zu einem anderen Text und zu einer anderen Melodie. Ich mag die doppelte Bedeutung der Zeile:"Idioten mögen mich“ und „Idioten, wie ich“.

4. Like To Fall For You:
"Irgendwie ein patschertes Liebeslied, in dem ich mich selbst zum Idioten mache. Das Basisriff ist vom Albi."

5. Maybe Mayhem:
"Vor cirka einem Jahr hab ich mir eine neue Gitarre gekauft. So ein Surf-Teil mit Whammy-Bar. Und mit so einer Klampfe spielt man ganz automatisch solche Sachen. Einen straighten Surf-Rocksong hatten wir bis dato noch nicht im Programm."

6. I Know This World:
"Unlängst hab ich William Boyds Roman “Any Human Heart” gelesen. Da kommt die Zeile “I know this world in the not too distant future will not contain me” vor. Der Rest des Textes ist von mir."

7. Why Is It Always Me?
"Eine Urlaubs-Beobachtung: Eine gestresste Jungmutter will es ihrem Sohnemann möglichst recht machen. Und scheitert daran, weil sie trotzdem an allem schuld ist, was ihm so passiert. Klassische Opfer-Nummer, die auch auf langjährige Bandbeziehungen anwendbar ist."

8. Right Wing Hippie:
"Auch eine Urlaubs-Situation: Auf einem Campingplatz in Sardinien gesellte sich ein betrunkener Holländer zu uns und outete sich als „Right Wing Hippie“. Der Song war fertig, bevor er wieder in sein Wurfzelt gewackelt ist."

9. River Of Mercy:
"Mit der Songzeile “The River I swim is not the River Of Mercy” bin ich nach einem Nachmittagsschläfchen erwacht. Die Melodie dazu war sofort da. Ich wollte den Text noch umschreiben, hab‘s dann aber bleiben lassen. Klingt wie aus einem Song, der in keinem Jungscharliederbuch fehlen darf."

© Marija Kanizaj

10. Another Day, Another Part Of Town
"Auch eine wahre Story: Mein amerikanischer Kumpel Eric und ich waren Mitte der 90er-Jahre in Prag und haben dort einen Typen kenngelernt, der uns immer wieder über den Weg gelaufen ist und jedesmal Unglück gebracht hat. Bei der Strophe lassen Neil Young and The Crazy Horse, beim Refrain die Stones grüßen."

11. Everybody Wants To Be Wanted
"Eigentlich ein Auftragswerk: Der Choreograph Darrel Toulon hat mich gebeten, für eine Tanz-Doku einen Song zu schreiben, der auf Interviews mit so genannten “Children Of War” basiert. Im konkreten Fall ging es um bosnische „Rape children“, die um 1992 herum im Jugoslawien durch Vergewaltigungen gezeugt wurden. Schöner Song, aber morbides Thema."

12. Crazy Town:
"Der Song schlängelt sich wie eine Spirale abwärts und beschreibt das Gefühl, von jemanden in den Wahnsinn getrieben zu werden. Ich liebe, was Karl und Albi da dazu spielen!"

13. I'll Be Fine:
"Dieser Song ist fast anbiedernd fröhlich und hookig, aber textlich eigentlich auch ziemlich depri. Wir gehen davon aus, dass Base-Fans wissen, wie der gemeint ist. Wenn wir den als Single veröffentlicht hätten, wär’s wahrscheinlich ein Hit geworden, was wir natürlich nicht riskieren wollten."

14. This Hell's A Nasty Home:
"Da geht’s um Menschen, die sich irgendwie unangenehm verändern, wenn sie zu viel erwischen, und die deshalb unbedingt um Mitternacht im Bett sein sollten. Also um die suchtfetzigen Aschenputtels unter uns."

Zur Information:
"Tribal Instincts" ist als CD, Doppel-Vinyl und als Download erhältlich.
www.the-base.at

© Marija Kanizaj