Vier Jahrzehnte mit der Supergruppe Queen haben ihre Spuren hinterlassen - nicht nur in Form eines Millionenvermögens: "Ich bin jetzt ein bisschen taub", gestand Schlagzeuger Roger Taylor im "Telegraph". "Ohne mein Hörgerät entgehen mir viele Nebengeräusche." Der Weltstar feiert am kommenden Freitag (26. Juli) seinen 70. Geburtstag auf der aktuellen Queen-Tour durch Nordamerika.

Geboren wurde er in der mittelalterlichen ehemaligen Hansestadt King's Lynn in Norfolk als Roger Meddows Taylor - den mittleren Familiennamen ließ er später fallen. Noch während seiner Grundschulzeit übersiedelte die Familie - ein Schwesterchen hatte sich zwischenzeitlich dazugesellt - nach Truro ins südwestenglische Cornwall. "Ich ging in eine Domschule mit einem Chorstipendium, was bedeutete, dass ich ein bisschen gesungen habe und meine Eltern nicht für meine Ausbildung blechen mussten", erinnerte er sich in "Reader's Digest".

Zuerst die Gitarre

Sein erstes instrumentales Interesse galt der Gitarre, auf der er sich selbst einige Griffe beibrachte. Doch dann entdeckte er den "King of Skiffle", den britischen Musiker Lonnie Donegan, und entschied, in einer richtigen Band Schlagzeug zu spielen. Mit acht Jahren gründete er seine erste Band - The Bubblingover Boys - und mit 13 die zweite, ebenfalls kurzlebige: The Cousin Jacks. Zwei Jahre später schloss er sich der Formation Johnny Quale And The Reaction an, wo er alsbald nach Abgang von Quale den Lead-Sängerpart übernahm.

Schließlich studierte er Zahnmedizin in London, weil sein Biologielehrer sagte, das sei gut bezahlt. Und weil er in London eine Band gründen wollte. Dem "Telegraph" gestand er: "Zahnarzt zu sein, wäre die Hölle gewesen." Deshalb wechselte er zur Biologie, ein Studium, das er mit einem Bachelor abschloss. Im Herbst 1968 machte ihn ein Freund darauf aufmerksam, dass laut einem Aushang im Imperial College ein Schlagzeuger "Typ Ginger Baker/Mitch Mitchell" gesucht werde. Taylor traf so auf Brian May und Tim Staffell - die drei gründeten das Rock-Trio Smile.

1969 eröffnete Taylor im Londoner Mode-Treffpunkt Kensington Market zusammen mit seinem WG-Genossen Freddie Mercury (1946-1991) einen Stand für Vintagebekleidung. Mercury überredete Taylor und May schließlich, eine Band mit ihm zu gründen, nachdem auch Smile trotz Plattenaufnahmen und erfolgreicher Gigs gescheitert war. Der Anfang für Queen war hart, erinnerte sich der Schlagzeuger mit britischem Understatement: "In der Anfangszeit konnten wir nicht einmal Auftritte bekommen. Aber wir blieben dran, hatten ein paar Hits, ein paar Leute kamen, um uns zu sehen, und 1975 veröffentlichten wir 'Bohemian Rhapsody'."

Der Song wurde einer der erfolgreichsten Hits weltweit, verkaufte sich millionenfach und katapultierte die Band in eine andere Liga: "Wir waren nicht länger nur eine anständige Rockband. Wir waren berühmt." Queen wurde ebenso bekannt für ihre Rockhymnen und bombastischen Liveauftritte vor ausverkauften Stadien wie für ihre exzessiven Partys, die Limousinen, Polizeieskorten und ausrastenden Menschenmengen. Taylor wehrt ab: "Ich hatte immer ein eingebautes Überlebensgefühl. Ich erinnere mich, wie ich ab und zu dachte: 'Jetzt ist es genug'", sagte er dem "Telegraph", was ihn allerdings nicht davor bewahrte, 1983 sturzbetrunken gemeinsam mit Status-Quo-Gitarrist Rick Parfitt (1948-2016) eine Nacht im Gefängnis von Monaco zu verbringen.

Die Band schaffte den seltenen Spagat zwischen Teamgeist und Egos: Jedes Bandmitglied schrieb Hits, Taylor steuerte unter anderem "Radio Ga Ga" und "A Kind Of Magic" bei. Anders als die Stones und Beatles zerstritten sie sich nicht, obwohl regelmäßig die Fetzen flogen: "Wir alle fühlten uns als Teil des kreativen Prozesses. Ich weiß, dass Schlagzeuger gemeinhin die Zielscheibe für Tausende von Witzen sind", sagte Taylor dem "Telegraph", "aber ich hatte immer das Gefühl, eine wichtige Rolle zu spielen."

Taylor war das erste Queen-Mitglied, das eine Solosingle veröffentlichte: "I Wanna Testify" von 1977. Das erste Album "Fun In Space" folgte 1981. Seither hat er insgesamt fünf eigene Platten herausgebracht, zuletzt "Fun on Earth", auf dem sein Sohn Rufus Schlagzeug spielt, eines seiner fünf Kinder aus zwei Beziehungen. "Die meisten Eltern würden sich wahrscheinlich ärgern, wenn ihre Kinder anfangen würden, auf Dinge zu schlagen", sagte er "Reader's Digest". "Aber ich habe mich riesig gefreut, wenn er die Möbel wie verrückt prügelte." 2010 hat Taylor übrigens nochmals geheiratet.

Das Leben neben Queen

Zwischenzeitlich betrieb er sogar ein Side-Projekt, als Ende der 1980er-Jahre klar wurde, dass Queen mit dem gesundheitlich bereits angeschlagenen Mercury nicht mehr auf Tour gehen würde: The Cross hieß die Band, die es auf drei LP-Veröffentlichungen brachte und Taylor - wie schon in seiner Jugendzeit - zum Lead-Sänger samt Gitarre machte. Vor fünf Jahren wurde Taylors umfangreiches Solo-Werk zudem als Box-Set veröffentlicht.

Nach dem Tod von Freddie Mercury 1991 versuchten Taylor und May, dem Monstrum Queen zu entkommen - freilich ohne Chance. Der posthume Longplayer "Made In Heaven" kostete viel Zeit und Überwindung, eine Musical-Idee wurde Realität und zu einer weltweiten Erfolgsgeschichte, und wider Erwarten taten sich plötzlich Live-Optionen auf: erst mit Sänger Paul Rodgers und seit 2012 mit Adam Lambert.

2019 eröffnete Taylor zusammen mit Brian May und Adam Lambert die Oscar-Feierlichkeiten in Los Angeles. "Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal machen würde", sagte er, nachdem der amerikanische Schauspieler Rami Malek einen Oscar für sein Porträt von Freddie Mercury in "Bohemian Rhapsody" gewann.

Roger Taylor tourt mit Queen noch bis 23. August vor ausverkauften Häusern in Nordamerika und nächstes Jahr in Japan, Korea, Australien und Neuseeland.