Dem deutschen Sänger und Rapper Tua hört man zu-, man hört ihn nicht bloß an. Mit seinem Album „Grau“ hat Tua alias Johannes Bruhns dem Deutschrap die Kunst eingeflößt. Zehn Jahre später gibt es endlich den Nachfolger. Er heißt wie der Künstler und hört sich an wie ein Querschnitt seines musikalischen Fassungsvermögens. Der Tonträger ist ein ernstzunehmendes, sättigendes Rap-Album, kein sexualisiertes Kommerz-Fastfood für Spotifylisten und Shishabars.

Den Soundtrack für seine Texte liefert er selbst. - Der 33-jährige produziert fordernde Electronic-Prozeduren zwischen Trip-Hop-Machart und (manchmal) haarsträubender Pop-Pose. Eine Posse ist dennoch kein Song auf dem Album.

Tua vereint in seinem prosaähnlichem Storytelling Weltskepsis und Lebenspassion. Er schreibt Oden an die Vergänglichkeit ("Wenn ich gehen muss"): „Wenn ich gehen muss, werde ich im Wind sein. Dort wo ihr mich findet, dort bin ich geblieben", oder erzählt in schonungsloser Klarheit über den Tod seines Vaters ("Vater").

Dieser Song beginnt mit einem ganz speziellen Beat. In den ersten 20 Sekunden vernimmt man maschinelles, monotones Zischen. Tua entführt den Hörer vor das Krankenbett seines sterbenden Vaters. Es ist das Beatmungsgerät, das spricht. Der Vater ist noch nicht tot, aber schon lange nicht mehr lebendig. Tua schafft das Unmögliche: Er erzählt eine Geschichte, obwohl er gelähmt vor Schmerz ist. Den Austritt aus dem Leben markiert schließlich der darauf folgende Song "Tiefblau". - Die Leichenstarre ist eingetreten, die Haut, so lässt der Titel vermuten, verfärbt sich. 

Andrew Bird - Sisyphus

Der 45-jährige Andrew Bird durchlief eine klassische Ausbildung an der Violine. Er spielt mindestens fünf weitere Instrumente. Nun gut. Das muss noch lange nicht heißen, dass man gute Musik macht. Das neue Album, das Bird ganz unverblümt "My Finest Work Yet" taufte, ist aber gerade wegen seiner instrumentalen und produktionstechnischen Askese so grandios geworden. Ein Beispiel: Der Song Sisyphus. Gitarre, Schlagzeug, Klavier, Gesang. Und Pfeifen. Völlig natürlich in einer Studiosession eingespielt. Pures Songwriting fuktioniert genau so. 

La Dispute - Footsteps At The Pond

Post Hardcore im Breitbildformat. Das liefern die Jungs von "La Dispute" aus Michigan. Sänger Jordan Dreyer macht sich auch für das mittlerweile vierte Album "Panorama" eine spezielle Kulisse zu eigen. Gespielt werden Lieder vom Tod, Dreyer begibt sich mit seinen Texten auf den Schicksalspfad. Er setzt Mahnmäler für Tote und gräbt sich in die Geschichte von Menschen ein. Was wiegt die Geschichte eines einzelnen? Was ist sie wert? 

Christian Scott aTunde Adjuah - Ancestral Recall

Im Schatten des Modern-Jazz-Kolosses Kamasi Washington weilen auch andere Virtuosen. So zum Beispiel Christian Scott. Der Trompeter aus New Orleans traut sich als Komponist jedoch deutlich mehr. Der Song "Ancestral Recall" bietet sechs Minuten epische Jazz-Magie. Eine tropische Perkussionsetappe macht den Anfang. Plötzlich wiegt man sich in unbeschreiblicher Wärme. Die hypnotische Stimme von Spoken Word-Poet Saul Williams erklingt. Die mäandernden Trompetenstimmen von Christian Scott verzaubern. 

Nilüfer Yanya - In Your Head

Auf der renommierten BBC-Liste "Sound of 2018" war die Londonerin bereits vertreten, in der vergangenen Woche veröffentlichte die 22-jährige Britin ihr Debütalbum. Was Nilüfer Yanya macht, ist natürlich nicht neu, aber in seiner Ausführung unwiderstehlich erfrischend. Eigenartig leichtfüßig und trotzdem verkopft trotzig kommt der Song "In Your Head" daher. Der Gitarrensound erinnert unweigerlich an die Strokes. Zunächst. Mit ihrer tiefen Stimme geht Yanya ganz eigene Wege. Besonders, wenn sie sie zwischendurch Dolores O’Riordan-mäßig in ungeahnte Höhen katapultiert.