"The Beatles" heißt das neunte Studioalbum der Pop-Legende aus Liverpool, wegen der schlichten Covergestaltung meist "The White Album" genannt. Zum 50. Jahrestag der Veröffentlichung erscheint am 9. November eine Neuauflage im Remix und mit vielen bisher nie gehörten Aufnahmen. "Sie haben alle Einflüsse aufgesogen", schwärmte Produzent Giles Martin bei einem Pressetermin in London.

Wie schon beim Remix von "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" hat der Sohn des legendären Beatles-Produzenten George Martin auch diesmal hervorragende Arbeit geleistet, verdeutlichten Hörproben in den geschichtsträchtigen BBC Maida Vale Studios. Selbst Paul McCartney zeigte sich von der "neuen" Version des Doppelalbums beeindruckt, erzählte Martin: "Ich habe Paul meinen Mix vorgespielt und er hat gemeint: 'Klingt sehr modern, wie von einer modernen Band, oder?' Ich habe gesagt: 'Das waren und sind die Beatles ja.'"

Aber wozu überarbeitet man eigentlich solche Popklassiker? "Nun, niemand wird behaupten, das 'Weiße Album' klinge nicht gut", antwortete Martin. Es gelte vielmehr, die Songs der veränderten Technologie anzupassen. "Lautsprecher etwa sind heute anders beschaffen als vor 50 Jahren. Wir haben sehr aufgepasst, nicht zu viel zu verändern, um nicht das Feeling der Songs zu zerstören. Ein großartiger Klang macht noch lange kein großartiges Gefühlsalbum. Man könnte sehr leicht die Essenz des 'Weißen Albums' verlieren, wenn man ihm einen zu reinen Klang verpasst."

Käufer der Deluxe und Super Deluxe Ausgabe (es gibt mehrere Editionen) erwartet nicht nur ein optimales Klangerlebnis bei den Original-Stücken, sondern auch bis zu 77 Zugaben in Form von Outtakes und Home-Recordings. Bei letzteren handelt es sich um eine Auswahl aus den mythenumwobenen "Esher Demos", benannt nach einer Stadt in der englischen Grafschaft Surrey. Dort machten die Beatles 1968 in George Harrisons Bungalow mit akustischen Instrumenten Probeaufnahmen von Liedern, die sie zum Teil in Indien komponiert hatten.

"Diese Aufnahmen sind unglaublich", betonte Martin. "Sie zeigen, wie sehr die Beatles den kreativen Prozess und ihre Entwicklung selbst bestimmt haben." Und sie belegen, dass das "White Album" sehr wohl ein "Bandalbum" war: Man kann mithören, wie die Beatles gemeinsam Ideen ausarbeiten und sich anfeuern, welche Freude sie dabei haben. "Die Bänder sind bloß mit Beatles One, Two, Three usw. beschriftet", erzählte Martin. "Ich wusste, dass George einige Demos für die 'Anthology'-Serie zur Verfügung gestellt hatte. Alle 27 Bänder plötzlich zur Verfügung zu haben, war eine Offenbarung."

Work-In-Progress dokumentieren die Studio-Outtakes. "Von 'Sexy Sadie' allein gibt es 107 Versionen", erzählte Martin. "Das ist sehr ungewöhnlich für die Beatles, wenn man bedenkt, dass sie früher bloß eineinhalb Takes für ein Lied gebraucht haben. "Für das 'Weiße Album' haben sie so viele Aufnahmen gemacht, nicht weil sie unzufrieden waren, sondern weil sie sehen wollten, wie sich der jeweilige Song entwickelt. Man könnte den Prozess etwa so beschreiben: Entdecke den Song durch das Spielen des Songs." Am Ende einer Version von "Blackbird" hört man etwa McCartney sagen: "Vielleicht kann ich das Lied noch mal etwas sanfter spielen."

Fans dürfen sich also über akustische Gustostückerln freuen - etwa über eine bisher unbekannte Fassung von "Julia", von deren Existenz laut Martin "niemand wusste, weil das Tape nicht beschriftet war", und über ein ausgelassenes, fast 13-minütiges, bluesiges "Helter Skelter". Oder über "Child Of Nature", die Ur-Version von John Lennons späterem Solo-Hit "Jealouse Guy". Selbst für den Beatles-Experten gab es ein paar neue Erkenntnisse: "Besonders überrascht hat mich, dass Eric Clapton, der die Gitarre zu 'While My Guitar Gently Weeps' beisteuerte, während der gesamten Sessions dabei war und nicht nur ein Overdub für das fertige Lied gemacht hat."

Sein Vater habe das Gesicht verzogen, wenn jemand ihm gegenüber "The White Album" als sein liebstes Beatles-Werk bezeichnete, berichtete Giles Martin. Mit der neuen Arbeitsweise der Beatles habe er sich nicht wirklich anfreunden können. Der Sohn hat aber nur positive Worte übrig: "Die Beatles haben permanent komponiert. Das 'Weiße Album' war der Höhepunkt dieses Outputs."