Sie meldet sich aus dem Mutterschiff. So nennt Neneh Cherry, vor 54 Jahren geboren als Neneh Mariann Karlsson, das umgebaute Schulgebäude auf dem schwedischen Land bei Hässleholm, das ihre Eltern 1970 kauften und in dem sie aufwuchs. „Ich war glücklich hier als Kind, und ich bin es noch immer.“ Cherrys Eltern – Mutter Moki war Künstlerin, Stiefvater Don Cherry ein bekannter Jazzer – leben nicht mehr, jetzt ist sie die Matriarchin, die das Anwesen, „eine große Lebenskonstante“, in Schuss hält.

Neneh Cherry ist seit mehr als 30 Jahren mit dem Produzenten Cameron McVey zusammen, sie haben zwei Töchter (Tyson und Mabel), aus einer früheren Beziehung stammt Tochter Naima, die Neneh mit 18 zur Welt brachte. Alle Mädchen machen ebenfalls Musik, vor allem Mabel, die Jüngste und Einzige, die noch zu Hause lebt, schickt sich an, Karriere zu machen.


„Broken Politics“ ist Neneh Cherrys neues, erstaunlicherweise erst fünftes und wie gewohnt großartiges Album, vier Jahre nach dem Comeback „Blank Project“. Cherrys große Hits „Buffalo Stance“, „Manchild“ und „7 Seconds“ im Duett mit Youssou N’Dour stammen aus den späten 80er- und frühen 90er-Jahren, haben das kollektive Musikgedächtnis der Menschheit aber nie verlassen und hören sich bis heute zeitgemäß an. „In dieser langen Pause, die ich brauchte, um so vieles, etwa den Tod meiner Eltern oder die Geburt meiner Töchter, zu verarbeiten, hat sich eine große Masse an Kreativität in mir aufgestaut“, sagt Cherry.

„Und ich bin so froh, dass ich meine Ideen und Gedanken durch meine ganz eigenen Kanäle fließen lassen kann. Ich muss auf niemanden Rücksicht nehmen, ich bin nicht auf Hits angewiesen, ich kann mir den ganzen Bullshit sparen und Songs machen, die mir im Kern entsprechen.“
Verglichen mit dem Vorgänger ist „Broken Politics“ eine introspektivere Songsammlung. „Ich möchte mit den Liedern kommunizieren, in einen Austausch treten. Das gelingt mir besser, wenn die Musik ruhig ist.“ Musikalisch haut einem hier niemand aufs Maul. Anders die Texte: Politisch, feministisch war Cherry schon immer, der erklärteste Protestsong auf der neuen Platte heißt „Kong“. Cherry schrieb ihn nach einem Besuch in den Flüchtlingsbaracken von Calais. Ein Versuch, „Zeitgeschichte vorsichtig in die Songs zu integrieren, ohne plump zu erscheinen“. So sanft die Sounds, so klar die Ansage: Sie halte es, sagt Cherry, „für barbarisch, Menschen, die ihre Heimat verlassen und mit nichts außer ihrer Würde hier ankommen, auch noch zu drangsalieren und zu quälen“.