Über mangelnde Reisemöglichkeiten kann sich Marlene Nader, wie die Sängerin mit bürgerlichem Namen heißt, jedenfalls nicht beklagen: Festivals in Spanien, Portugal, Deutschland oder Dänemark gehören mittlerweile zum Alltag, vergangene Woche gab Mavi Phoenix den Opener für Rapper Jimothy Lacoste in England. Und dazwischen wurde heuer mal locker das Wiener Popfest gerockt. Was dabei auffällt: Wie professionell die 23-Jährige mit all dem umgeht. "Ich habe durch das viele Spielen sehr viel Selbstbewusstsein auf der Bühne bekommen."

Und dennoch: Steht Mavi Phoenix vor ihrem Publikum, singt und rappt sich durch Hits wie "Yellow" oder "Aventura", dann ist das nicht die übliche Routine, die man von anderen Artists kennt. Hier gehen Sound, Performance und Attitüde Hand in Hand und ergeben ein stimmiges Ganzes. Dem Zufall wird nichts überlassen. "Man macht sich schon Gedanken, was der nächste Schritt ist oder was man online postet", resümierte sie. "Dann gehst du wieder ins Studio. Du arbeitest also eigentlich die ganze Zeit. Da gibt es keinen wirklich geregelten Ablauf, es ist einfach immer da!"

Dieser Zugang zeigt aber auch, dass die Sängerin, die mühelos zeitgemäßen R'n'B mit trendy Hip-Hop-Sounds und einem Gespür für gute Melodien verbindet, enorm hungrig ist - und nicht zuletzt sehr aufmerksam, was das eigene Ding betrifft. Da wird schon mal "Mavi Phoenix" gegoogelt und die jüngste Konzertkritik gelesen. Schlechte Erfahrungen dabei gemacht? "Eigentlich gab es nichts Gröberes", schmunzelte sie. "Meistens sind es Kleinigkeiten. Zum Beispiel wurde das ganze Jahr über geschrieben, dass ich 23 bin - dabei bin ich erst vor vier Wochen 23 geworden. Da denkt man sich schon: 1.9.1995, und dann halt rechnen."

"Ich bin keine Pop-Göre"

Insgesamt habe sie jedenfalls das Gefühl, "dass ich recht schnell herauslese, wo die Leute mich sehen. Das fängt mit der Bildauswahl oder Headline an", sprach sie die mediale Berichterstattung an. "Da merkt man, dass das noch sehr differenziert ist. Manche wollen eine Pop-Göre und Girl-Power pur. Andere sehen es wiederum im Avantgarde-Ding. Das ist schon interessant. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen - nur eine Pop-Göre bin ich nicht."

Trotzdem sei es auch "gruselig", wenn man die Deutungshoheit ein Stück weit abgibt. "Wenn man auf einmal spürt, dass man eine Person des öffentlichen Interesses wird, ist das schon creepy", so Nader. "Die Leute machen sich ein Bild von dir, das überhaupt nicht übereinstimmt mit dem, das du von dir selbst hast. Das war schon schwierig für mich. Vor allem, als im Sommer mehr Medien berichtet haben. Liest du dann die Forenbeiträge oder Kommentare, denkst du nur: Ihr habt ja keine Ahnung, über wen ihr da schreibt! Aber ich lese das natürlich, ich bin ja keine Madonna."

Eine Gegenreaktion hat sich Nader aber bereits zurecht gelegt. "Ich will schon versuchen, mich so zu zeigen, wie ich bin - aber weniger persönlich als noch vor einem halben Jahr. Es macht keinen Sinn, die Leute machen sich ja sowieso ihr eigenes Bild. Und wer lässt sich schon gern sein Bild zertrümmern? Ich kenne das ja von mir selber auch so." Da helfe nicht zuletzt Mavi Phoenix, wobei die Kunstfigur aktuell noch ziemlich deckungsgleich mit der privaten Person sei. "Das ist ja noch sehr stark verwoben, das ist Eins", betonte die Musikerin. "Ich bin Solokünstlerin, da ist das dann nochmals anders als bei einer Band. Ich rede einfach so, wie ich rede - das wird dann sofort sehr persönlich. Wenn ich mir Distanz schaffe, geht das vielleicht nicht mehr so nah."

Sorgen, dass Mavi Phoenix dadurch vielleicht an Appeal verliert, muss man sich aber wohl nicht machen. Dafür ist Nader derzeit viel zu sehr am Puls der Zeit unterwegs, wie auch "Young Prophet II" eindrucksvoll beweist. Fünf der sechs darauf enthaltenen Stücke wurde seit dem Frühjahr sukzessive veröffentlicht. "Für mich ist es einfach wichtig, dass sie jetzt so zusammengefasst werden." Einige Fans würden die Songs wohl schon kennen, für andere seien sie wiederum neu - "da wird das vielleicht als neue EP wahrgenommen", zeigte sich Nader ganz pragmatisch. Im Zeitalter des Streaming werden auf diese Weise jedenfalls alle bedient.

"Ich glaube, mein Songwriting wird jeden Tag besser"

Soundtechnisch geht Mavi Phoenix ihren Weg konsequent weiter. "Ich glaube, mein Songwriting wird jeden Tag besser. Es gibt mehr Struktur, die Lieder sind griffiger. Wo 'Young Prophet' dreckiger war, auch im Sinne von lo-fi produziert, ist es jetzt cleaner und poppiger." Ein Umstand, der auch mit den eigenen Hörgewohnheiten konform geht. "Ich habe kein Problem damit, Britney Spears zu hören und dann eine Sekunde später zu Frank Ocean oder ganz anderen Sachen zu wechseln", lachte Nader. "Das vereint auch Mavi Phoenix: Poppig, aber trotzdem mit einem gewissen Edge. Es ist das gewisse Etwas, wo man merkt: Die war nicht in L.A. im Studio, sondern das ist Daheim entstanden - es ist aber trotzdem Pop!" Dass Mavi Phoenix damit aktuell Maßstäbe setzt, davon kann man sich auch bei der anstehenden Herbsttour überzeugen.