Selbst wenn beinahe die gesamte Welt aktuell ob der Weltmeisterschaft in Russland im Fußball-Fieber ist, es gibt ein kleines Areal im Burgenland, in dem das runde Leder nur bedingt eine Rolle spielt: das Nova-Rock-Festival in Nickelsdorf. Zugegeben, mit 215.000 Festivalgästen gar nicht so klein.

Doch hier, wo die Grenze zu Ungarn nur einen Plektrum-Wurf entfernt ist, wird neben harter Musik eine ganz andere Sportart zelebriert: „Flunkyball“. Die genauen Regeln des Trinkspieles kennt irgendwie keiner hier. „Egal, solange es Bier gibt“, sagt Martin Patz aus Ulm, der sogar eine Arena gebaut hat. Zum Zeitvertreib und um mit „österreichischen Mädels“ ins Gespräch zu kommen, wie er behauptet.

Überhaupt folgt das Nova Rock eigenen Gesetzen. Etwa, dass die Uhrzeit völlig irrelevant ist. Frühschoppen am Nachmittag, mittagessen um Mitternacht, schlafen gehen um sieben Uhr früh. Das Wetter war gestern dafür ideal, nach einem nassen Auftakttag wurde heute bei 25 Grad und Sonnenschein feucht-fröhlich weitergefeiert.

Avenged Sevenfold gaben Gas

Ähnlich ausgelassen ging es auf den Bühnen zu. Die Headliner Avenged Sevenfold auf der Blue Stage und The Prodigy auf der Red Stage machten den beinahe Totalausfall von Marilyn Manson am Donnerstag wieder gut.

Vor allem die Metal-Band aus Huntington Beach, Kalifornien, zeigte, warum sie vom Guardian zurecht als "Metal-Band ihrer Generation" bezeichnet wurde. Sänger M. Shadows trieb seine Stimme zu Höchstleistungen, ähnlich wie Synyster Gates, der seine Gitarre geschickt in Szene setzte: Mit einem anspruchsvollen Solo ließ er die Zuhörer mit Staunen zurück. Apropos Zuhörer, die waren zuhauf vor die Bühne gekommen, dementsprechend gelöst war die Stimmung: es wurde eingeklatscht, gegröllt und gemosht. Der Zeiger des Stimmungsbarometers stand auf "Ekstase".

Den Kalifornier taugte das sichtlich. "Zum Nova Rock zu kommen ist für uns immer ein Geschenk", streute M. Shadows dem Publikum Rosen. Dieses wurden im Gegenzug mit einer Feuershow sowie einem punktiert eingesetzten Feuerwerk belohnt. "Fühlt ihr euch gut?", fragte M. Shadows  - "Yes!"

Prodigy tanzten ab

Ungleich härter ging es gleichzeitig auf der Red Stage zu. The Prodigy lieferten eine von einer Lasershow durchzogene Elektroparty ab. Wer hier nicht zumindest mit den Händen vor dem Brustkorb tanzte, war fehl am Platz. Spätestens bei dem Klassiker "Firestarter" war ohnehin das gut besuchte Festivalgelände am Kochen. Kein Wunder, bei sovielen Beats und der enormen Energie auf der Bühne: Besonders Keith Flint forderte das Publikum immer wieder heraus. In den Nachtstunden spielte noch Otto Walkes mit seinen Friesenjungs auf.

Crazy Town haben auf der Red-Bull-Music-Stage den Abend eingeläutet. Die kleine Bühne war dementsprechend beliebt. Schnell wurde klar, auf was alle warten - nämlich auf den Überhit "Butterfly". Den werden sie jedoch erst zum Schluss spielen, verriet Frontman Shifty Shellschock vorab. Tja, wenn das nur die Zuhörer gewusst hätten. So wurden sie mit neuen Stücken und weniger bekannteren überschüttet, ehe nach etwa einer Stunde schließlich der heiß ersehnte Song angestimmt wurde.

Mit seiner krächzenden Stimme verpasste Shifty ihm eine ungewohnte Note, die jedoch vom Publikum goutiert wurde. Hauptsache "Butterfly" wird gespielt, hatte man den Eindruck. Die Band hat definitiv schon bessere Tage gesehen. Viele Fans waren wohl ob der Nostalgie zum Auftritt gepilgert.

Bad Religion wurden politisch

Auf der Red Stage zelebrierten indes Bad Religion ihre Punkrock-Attetüden, oder zumindest was davon übriggeblieben ist. Denn die Band aus L.A. ist gealtert. Anstatt zerrissene Jeans werden jetzt Cordhosen und Hemden getragen. Zumindest Gitarrist Brett Gurewitz warf sich noch in Schale: die obligatorische Jeansjacke mit aufgenähten Stickern war bei seinem Outfit essentiell. Und Klassiker wie "Punk Rock Song" durften natürlich auch nicht fehlen. Sehr zur Freude des Publikums, das die politischen Statments der Band mit gen Himmel gestreckten Händen feierten.

Rise Against heizten am frühen Abend auf der Blue Stage ein, auf der Red Stage ging es mit Gentleman simultan deutlich Hip-Hop-lastiger zu. Auf der Red Bull Stage hatte der norwegische Youtuber Leo Moracchioli mit seinen Metal-Cover von Popsongs das Sagen.

Das Kerngelände wurde von den Veranstaltern zusätzlich mit Hackschnitzel befestigt. Das hat gut funktioniert. Auf dem Campingplätzen zeigt sich ein anderes Bild: Wer Dreck meiden wollte, verbrachte den Tag vor der Bühne.

Guter Start

Das war generell ein guter Ratschlag, den viele Festivalgäste auch befolgt haben. Nothing But Thieves waren etwa so ein Grund, um am Nachmittag aus dem Zelt zu kriechen. Straighter Rock wurde einem da auf der Blue Stage präsentiert. So schnörkellos, dass es einem Alleinstellungsmerkmal unter den sonst verspielten Metalbands gleicht kommt am Nova Rock.

Sympathisch sind sie jedenfalls, die Mannen rund um Frontman Sänger Conor Mason. Der einem Fan in der ersten Reihe gleich zu Beginn zu seiner "fucking awesome" Frisur gratulierte. Danach folgten groovige Riffs, kein Wunder, da durfte auch nicht "Trip Switch" fehlen. Trotz der frühen Stunde ein feiner Gig.

Den spielten auch Culture Abuse aus Kalifornien. Nur, die Zuhörer fehlten dafür vor der Red-Bull-Music-Stage. Eine handvoll Musikbegeisterter "verirrten" sich vor die sogenannte Boutique-Bühne, auf der eher unbekannte Gruppen spielen.

Schade, denn "Culture Abuse" hätten sich mit ihren sich über Genregrenzen hinwegsetzenden Sound mehr Publikum verdient. Die Band selbst nahm's mit Humor: "We are Crazy Town, remember us'." Die wahren Crazy Town treten um 19.55 Uhr auf der selben Stage auf.

Besonders beliebt machten sich die deutschen Eisbrecher beim österreichischen Publikum als sie "Du entschuldige i kenn di" von Peter Cornelius intonierten. "Das ist doch eure Nationalhymne, nicht?", fragte Sänger Alex Wesselsky. Zumindest für diesen Moment war es sie, denn schnell wurde ein Meer an Stimmen daraus.

Auf der Red Stage waren am Nachmittag die Punk-Veteranen "Anti-Flag" zu sehen, um 17.05 Uhr spielten die Mad Caddies, die Lieder aus einer Mischung aus Ska und Punkrock mit ins Burgenland brachten.

Regenfälle in der Nacht

Für Abwechslung war also am zweiten Tag des Nova-Rock-Festivals im burgenländischen Nickelsdorf gesorgt. Vor allem für musikalische. Denn an der Gatschlandschaft auf dem Festivalgelände wird sich vorerst nichts ändern. In der Nacht auf Freitag hat es abermals Regenschauer gegeben, die den Pannonia Fields stark zugesetzt haben. Gummistiefel sind mittlerweile Pflicht.

Das Wetter gestaltet sich am Freitag deutlich freundlicher als am ersten Tag. Aktuell hat es rund 24 Grad und es scheint die Sonne. Vereinzelte Quellwolken sind am Himmel zu sehen. Laut der Zamg soll sich daran auch nicht viel heute ändern: Es bleibt trocken und es scheint am Nachmittag und Abend zeitweise länger die Sonne. In der Nacht sinkt die Temperatur bis Mitternacht bis gegen 17 Grad. Der Wind weht mäßig aus Nordwest, in der Nacht wird der Wind noch schwächer.

Gelände bereit für Ansturm

Das Kerngelände wurde von Arbeitern noch einmal festivalfit gemacht, bevor sich um 13.30 Uhr die Schleusen für die Besucher öffneten. Auf der Blue Stage eröffneten "Beast in Black" den Tag.

Beast in Black beim Soundcheck
Beast in Black beim Soundcheck © Kirin Kohlhauser

Eine wichtige Neuerung bringt das heurige Jahr für die Festivalbesucher mit sich, im Kerngelände kann nur mehr bargeldlos bezahlt werden. Viele nutzen die wenigen Minuten vor dem Start, um ihre Karte wieder mit Geld aufzuladen, denn ohne geht hier gar nix.

Die Schlage vor dem Bezahlautomaten
Die Schlage vor dem Bezahlautomaten © Kirin Kohlhauser