Ach, das Alter ist ja nur eine Zahl – bei diesem Spruch verdreht die Mehrheit für gewöhnlich die Augen, nur eben Lenny Kravitz nicht. Der wird heute 60 Jahre alt und scheint nur halb so schnell zu altern wie der Rest. Wobei er mit einer Strategie gegen das Altern gleich gar nicht hinter dem Berg hält: Zweimal pro Tag gibt es Ausdauereinheiten und Krafttraining. Dass er das Ergebnis nicht unter Oversize-Pullovern versteckt, wissen nicht nur seine Follower auf Instagram. Lederhosen und Netzshirts sind seit jeher seine engsten Begleiter. Er mag gelenkig sein, aber verbiegen lässt er sich trotzdem nicht: Unlängst hat seine 35-jährige Tochter Zoë Kravitz darüber gewitzelt, dass ihr der Rockstar-Vater mit Netzshirt auf dem Weg zur Schule im Kindesalter peinlich war. Draufbleiben, das ist Teil der DNA des gebürtigen New Yorkers: Mit fünf Jahren nahm ihn sein Vater mit zu den Jackson 5 – eine lebenslange musikalische Prägung im ohnehin kreativen Kravitz-Haushalt: Die Mutter, Roxie Roker, war Schauspielerin, Vater Sy Kravitz, Fernsehproduzent.

Zu den Jacksons kommt als Vorbild noch Prince hinzu, letztlich erschafft Kravitz aber seinen ganz eigenen musikalischen Kosmos: Erster Vorbote ist „Let Love Rule“ (1989), es folgt „Mama Said“ (1991) mit der Hitsingle „It Ain“t Over ‚Til It‘s Over„, zwei Jahre später folgt das Album „Are You Gonna Go My Way“ mit dem gleichnamigen Kracher, der noch heute Fixstarter in den meisten Radioplaylisten der Welt ist. Kravitz pfefferte einen Gegenentwurf in die Musikwelt, die damals mehr eine von Melancholie zerklüftete Grungelandschaft war. Kravitz sorgte für frischen Wind, einen Hauch von Aufbruchstimmung und brachte den Rockstar zurück: Lederhose statt Kuschelweste, wie sie Kurt Cobain bekanntlich so gerne getragen hat. Wobei das mit dem Rockstar so eine Sache ist: Ein Exzesshansel war Kravitz nie, er zelebrierte die schillernde Rockstar-Attitüde aber so geschickt, dass er nie ins Peinlichkeitsfach abgerutscht ist.

Längst schleppt er den Begriff Stilikone mit sich herum, der in seinem Fall eine ordentliche Ausdehnung erfährt – vom Hippie-Fellmantel bis zum Poncho, in seinen Kleiderschränken hat viel Platz. Zu finden sind sie in seinem Haus auf den Bahamas, einem Anwesen im brasilianischen Urwald oder auch in seinem Stadtpalais in Paris. Leisten kann sich der mehrfache Grammy-Preisträger das alles locker. Ob seine auf Innenarchitektur und Produktdesign spezialisierte Firma „Kravitz Design“ so ein Bringer ist, sei dahingestellt, bei ihm spielt auch einnahmenseitig die Musik die erste Geige. Über 40 Millionen Alben hat der Multiinstrumentalist bislang weltweit verkauft. Nach sechs Jahren kommt jetzt eine neue hinzu: „Blue Electric Light“ ist nach sein zwölftes Studioalbum. Entstanden ist es in seinem Haus auf den Bahamas: „Ein Ort, an dem ich gut arbeiten kann und mich wohlfühle“, erzählte er unlängst der dpa. Vielleicht steht er ja genau dort, der viel beschworene Jungbrunnen.