Das bewies die Gruppe um Sänger und Rauschebart Tom Araya auch am gestrigen Samstagabend, als man im restlos gefüllten Gasometer dem Wiener Publikum ordentlich einheizte. Grund für den knapp zweistündigen Besuch war das neue Album "Repentless" - wohl das schwierigste ihrer Karriere.

Denn vor knapp zwei Jahren verlor man mit Gitarrist Jeff Hanneman nicht nur ein Gründungsmitglied, sondern auch wesentlichen Songschreiber. Nach dessen Ableben im Alter von 49 Jahren stand die Zukunft der US-Band in den Sternen. Letztlich hat man sich aber für eine Fortsetzung des erfolgreichen Kurses entschieden und vor wenigen Wochen Studioalbum Nummer elf vorgelegt. "Es war schwer, nicht auf seine Meinung zählen zu können", erzählte Kerry King, auf dessen breiten Schultern nun die ganze Last lag. "Seit dem ersten Tag waren wir gemeinsam für jedes bisschen Musik von Slayer verantwortlich."

Der schwergewichtige Gitarrist hat sich aber nicht unter Druck setzen lassen, wie er der APA vor dem Auftritt verriet. "Ich habe schon zwei Jahre an den Songs gearbeitet und wusste, dass wir gutes Material haben. Es gibt eigentlich sogar ein weiteres, halbes Album, für das nur Texte und Soli fehlen." Mit "Piano Wire" schaffte es indes auch noch ein Song von Hanneman auf den aktuellen Longplayer, ein weiterer harrt noch der Fertigstellung. "Der braucht noch eine Richtung, dann werden wir ihn wohl auch veröffentlichen."

Besondere Herausforderung

Für eine Gruppe ihres Kalibers stellt das "Neue" ohnedies eine besondere Herausforderung dar: So müssen die treu ergebenen Fans nicht nur mit Gary Holt als Hanneman-Ersatz sowie Paul Bostaph als Rückkehrer am Drumset zurechtkommen, sondern sind bekanntermaßen recht kritisch, was musikalische Experimente oder gar Richtungswechsel angeht. Aktuell muss man sich diesbezüglich aber keine Sorgen machen: "Repentless" ist ein harter Brocken, King-typisch von einem unbarmherzigen Groove dominiert und textlich direkt wie eh und je. Auch live passten Stücke wie "Implode" oder "Vices" bestens zu alten Klassikern der Formation.

"Es ist heutzutage verdammt schwierig, wirklich Neues zu finden", zeigte sich King realistisch. "Wenn ich im Schreibmodus bin, versuche ich mir Dinge auszudenken, die wir bis jetzt noch nicht gemacht haben oder die ich noch von keinem anderen gehört habe. Aber es ist eigentlich schon alles einmal da gewesen. Vielleicht stolpere ich aber irgendwann doch wieder über etwas", lachte er herzhaft. "Wichtig ist, dass du offen und empfänglich für neue Dinge bleibst. Aber ich würde niemals andere Musik machen, als wir sie mit Slayer fabrizieren. Das schränkt dann doch auch ein wenig ein."

Die Fans dankten es dem Quartett jedenfalls ausgiebig: Von den frühen, beinahe punkig angehauchten Sprints "Die By The Sword" und "Black Magic" über neue Stampfer wie "When The Stillness Comes" bis zu den frenetisch gefeierten Highlights "South Of Heaven", "Raining Blood" oder "Angel Of Death" blieben nur sehr wenige Wünsche offen. Araya zeigte sich stimmlich in recht guter Verfassung, während King seinem neuen Gegenüber Holt zumindest ab und an das Rampenlicht überließ. Über all dem thronte Bostaph in stoischer Manier und ließ den Abgang von Dave Lombardo zumindest zeitweise in Vergessenheit geraten. So rockten Alt und Jung vereint. "Wir funktionieren offenbar generationenübergreifend", meinte King dazu nur.

Mittlerweile sei es nämlich sogar so, dass alte Fans mit ihren Kindern zu den Shows kommen. Das habe er erstmals vor knapp zehn Jahren bemerkt, erzählte der Gitarrist. Auch ein Ergebnis von Konstanz und Einsatz. "Es gibt nicht viele Bands, die eine so lange Karriere vorweisen können", meinte King. "Kommendes Jahr gibt es uns seit 35 Jahren und ich hoffe doch sehr, dass wir uns auch den 40er auf die Brust heften werden - aber ohne eine jener Bands werden zu müssen, die in den USA durch die Casinos tourt."

Wobei King ein ganz einfaches Rezept hat, um am Ball zu bleiben: "Zerstör dich nicht", lautet sein Motto. "Bei mir ist es beispielsweise der Nacken. Nach unseren ersten Auftritten hatte ich quasi ein Schleudertrauma vom Headbangen. Also dehne ich jetzt vor jedem Konzert ausgiebig. Und es funktioniert." Und auch das Reisen sei durchaus kräftezehrend. "Besonders, wenn du viele Flüge hast. Man steht auf, muss packen und dann heißt es eigentlich nur warten, warten, warten. Alte Körper sprechen darauf nicht gut an. Aber mein Job lässt mich die Welt sehen, das ist schon ziemlich fantastisch." Bleibt die Frage, wie lange es noch so weiter gehen wird. "Ich glaube schon, dass wir ein Ablaufdatum haben, aber ich weiß nicht, wann das sein wird. Ich fühle mich gut, nichts schmerzt zu sehr, wenn ich spiele", grinste King schelmisch. "Es ist wirklich schön, Slayer zu sein."

Christoph Griessner