Woran merkt der Künstler Josh Rouse, dass er in Europa ist?
Josh Rouse: Amerikaner haben in der Regel eine unglaublich kurze Aufmerksamkeitsspanne, was sich besonders bei Live-Konzerten bemerkbar macht. In den USA wird man ständig und überall unterhalten, da muss man nicht extra hinhören. In Europa ist das anders, die Menschen wirken aufmerksamer, wollen etwas erzählt bekommen. Und sie haben mehr Respekt, viel mehr Höflichkeit...

Ihr musikalisches Spektrum beschreibt man nicht gerade mit drei Worten. Was inspiriert Sie noch?
Rouse: In letzter Zeit natürlich viel spanische, aber auch brasilianische Musik. Mein nächstes Album wird "El Turista" heißen und nächsten Februar erscheinen – ich habe es als Chance genutzt, meinen Sound wieder zu verändern. Es wird ein wenig in Richtung Jazz gehen, aber auch einige spanische Songs enthalten – manche sogar mit Orchester und großen Arrangements.

Stillstand ist also der künstlerische Tod?
Rouse: Auf jeden Fall sogar. Gerade Songwriter wie ich geraten immer in Versuchung, bei ihrer besten, bekanntesten Platte zu verharren. Ein Fehler, den ich nie begehen möchte – ich zwinge mich geradezu dazu, meinen Sound immer in Bewegung zu halten, sei es mit anderen Instrumenten, anderen Stimmungen oder neuen Menschen in meiner Umgebung. Mein Umzug nach Spanien war aus künstlerischer Sicht etwa ein großer Glücksfall - meine Seele war ohnehin immer schon dort zuhause.

In Bewegung ist momentan auch die gesamte Musik-Szene. Man hat das Gefühlt, die ganze Pop-Welt zerbricht in drei Teile: Den Massenmarkt mit Pop-Idolen und Klingeltönen, den "High End"-Sektor, wo Menschen noch auf Konzerte gehen und CD´s kaufen und das Internet. Macht einem das als Künstler Angst?
Rouse: Ich habe seit fünf Jahren mein eigenes Label, daher weiß ich sehr genau, was sich wie und wo verkauft. Mit meiner letzten Platte war es sogar erstmals so, dass ich mehr als die Hälfte des Geldes online, via Itunes und Co, verdient habe. Die Verkaufszahlen der physischen CD haben sich indes ungefähr halbiert. Es ist nicht so, dass ich vor der Entwicklung Angst habe, im Gegenteil, ich nutze das Internet selbst, um neue Musik zu finden und zu kaufen.

Eine Begleiterscheinung des ganzen ist aber, dass immer weniger Alben gekauft werden und der Trend wieder zu einzelnen Songs und Singles geht. Steht die Kunstform Album vor dem Aus, zählt die Single bald wieder mehr?
Rouse: Bei vielen Jungen Menschen trifft das sicher zu. Ich empfinde das aber weniger tragisch, sondern sehe das als Kreislauf. EP´s und Singles hatten ihre Hochphase in den 50er, 60er Jahren, vielleicht gehen wir einfach wieder in diese Richtung. Prinzipiell habe ich jedoch Glück, weil ich viele sehr treue Fans habe, die mich nach wie vor als "Album-Künstler" ansehen – andererseits bringe ich ja auch kaum Singles heraus.

Der Sprung ins kalte Wasser, sprich einen reinen Online-Vertrieb wie etwa Radiohead oder Nine Inch Nails, ist von Josh Rouse in absehbarer Zeit also nicht zu erwarten?
Rouse: Nein, ich denke nicht. Durch mein eigenes Label habe ich den Vorteil der Kontrolle, was mir erlaubt, zu meinen eigenen Konditionen zu arbeiten. So kann ich Alben "regulär" veröffentlichen und nebenbei auch mit dem Internet als Medium experimentieren: Auf meiner Homepage biete ich regelmäßig rare Songs, Demos und Konzerte zum Download an, was mich auch künstlerisch motiviert. Die Möglichkeit, etwas aufzunehmen, abzumischen und auf iTunes zu stellen, hat einen sehr großen Reiz.

Wie geht es nach dieser kleinen Solo-Tour weiter?
Rouse: Ich werde Anfang nächsten Jahres wohl wieder auf Tour gehen, dann aber vermutlich wieder mit Band, auch wenn das immer sehr viel Arbeit für mich bedeutet. Es ist momentan durch die Krise sehr schwer, eine Tour zu organisieren. Eine Band, wenn sie gut sein soll, hat natürlich ihren Preis – hinzu kommt aber, dass seit Beginn der Krise deutlich weniger Leute zu Konzerten gehen. So oder so, bevor ich mich damit auseinandersetzen muss, gehe ich noch für ein paar Monate nach Hause nach Spanien. Vielleicht schreibe ich auch erstmals Songs für andere Leute, wir werden sehen.

Danke für das Gespräch!