Nein, einer Vorzeige-Mama entspricht ihr Jargon wirklich nicht: "I'm so fucking happy to be here" (Ich bin verdammt glücklich hier zu sein), schmettert Pink ihren Fans entgegen, als sie Freitagnacht mit zweistündiger Verspätung die Bühne im Circus Krone in München betritt. Wobei betreten maßlos untertrieben ist. Erst malträtiert die 33-Jährige, mehr laut als gekonnt, das Schlagzeug, ehe sie fortan 80 Minuten wie aufgedreht durch die Manege fegt - trotz ihre gefährlich hohen Absätze. Die 2000 Zuseher danken es und zeigen sich gleich glücksbeseelt und entfesselt wie die Sängerin selbst. Nach ihrer über zweijährigen Babypause (Willow ist 15 Monate jung) meldet sich Pink zurück und beweist, dass sie ganz die Alte geblieben ist: energiegeladen, schrill und stimmlich unverfälscht kratzbürstig.

Das Konzert war, nach London, eines von nur zweien in Europa um ihr sechstes Album "The Truth About Love" vorzustellen. Ihre Welttournee wird im Februar in den USA starten, ein Wien-Termin im Mai wird derzeit verhandelt. "Wahrheit über die Liebe" ist ein gewagter Titel, für jemanden, der selbige nicht kennt: "Ich habe keine Ahnung! Aber ich bin auf der Suche die Wahrheit herauszufinden", erzählt sie auf dem Pressetermin wenige Stunden vor dem Auftritt. Die Songs auf dem Album sind folglich keine Liebesratgeber, sondern bilden eher die amourösen Wellentäler seiner Schöpferin ab. Pinks Ehemann, der Motocrossfahrer Carey Hart, mag seit 2001 ihr Lebensmensch sein, verbunden ist das Paar aber zu einem gewissen Teil auch durch Hassliebe. Diese Gegensätzlichkeit bringt sie etwa im neuen Titel "True Love" mit der Zeile "Du bist ein A ..., aber ich liebe dich" zum Ausdruck.

Alecia wurde leicht rot

Aber das Attribut reibungslos passt ohnedies nicht zum Leben von Alecia Beth Moore, die zu Pink wurde, weil sie als Teenager so schnell errötete. Das Scheidungskind aus Pennsylvania pendelte schon als Jugendliche zwischen Gospelchor und Drogen hin und her, ging mit ihrer ersten Single, einer House-Nummer, 1998 baden und schaffte ihren weltweiten Durchbruch 2001 mit dem Kracher "Get the Party Started". Ihr rotziger Mix aus Punkrock und Pop ist seither Pinks Erfolgsgarant und sorgte für über 30 Millionen verkaufte Alben.

Bleibt sich die Halb-Irin musikalisch auch treu, so veränderte sie die Geburt von Töchterchen Willow zumindest privat: "Ich bin weniger arschig und verzichte auf Partys und Zigaretten", bilanziert Mama Pink, die mit ihrer Familie jüngst in eine Zwölf-Millionen-Dollar Villa in die Hügel von Malibu gezogen ist. Nur dem Alkohol hat sie noch nicht gänzlich abgeschworen und so zeigt sich Pink sichtlich gerührt, als ihr während des Konzerts eine Flasche Whiskey als Geschenk verpackt aus der ersten Reihe gereicht wird.

Ruhig wird es an diesem Abend nur phasenweise. Etwa als die überzeugte Demokratin "Dear Mr. President", ihre vorwurfsvolle Ballade gegen den früheren US-Präsidenten George W. Bush intoniert. Hätte sie auch eine Komposition für Barack Obama parat? "Das wäre ein Lied voller Liebe und Unterstützung und solche Lieder schreibe ich nicht," antwortet Pink. Aber auch der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney wird von ihr musikalisch nicht verarztet werden: "Weil er die Wahl nicht gewinnen wird", ist die dreifache Grammy-Gewinnerin überzeugt.

Keine Hänger

Ihre Sorge, aufgrund der langen Auszeit, sich ihrer eigenen Texte nicht mehr zu erinnern war letztlich unbegründet - jede Zeile saß in München. Und bei Klassikern wie "U + Ur Hand", "So What" oder "Just Like a Pill" hätte dem Energiebündel Pink ohnedies das entfesselte (und ebenso textsichere) Publikum ausgeholfen. "Es war für alle was dabei", resümiert ein Fan und vergleicht Pink (etwas hinkend) mit einer Schlagersängerin: "Sie war wie Helene Fischer - nur auf Speed".