"An der Pressefreiheit ist nicht zu rütteln“, man werde sie „mit allen erdenklichen Kräften schützen“ und: „Es gibt noch viel zu tun“. - Die Bundesregierungen der vergangenen Jahre wurden nie müde, sich zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai für diese zu verbürgen. Doch die Bürgschaft war ungedeckt. Darauf lassen die Zahlen schließen, die „Reporter ohne Grenzen Österreich“ (RSF) heute präsentieren wird: Österreich stürzt im weltweiten Ranking dramatisch ab, fällt vom 17. auf den 31. Platz. Wie es besser geht, kann sich Österreich mittlerweile bei Osttimor (17.), Namibia (18.) oder Trinidad & Tobago (25.) abschauen. „Schluss mit Ausreden, diesen Absturz kann man nicht mehr schönreden“, heißt es dazu von „Reporter ohne Grenzen“.

RSF-Präsident Fritz Hausjell erklärt das für Österreich bittere Ergebnis mit zahlreichen Einzelereignissen: Am schwersten wiege die Affäre um das „Dreieck aus Boulevard, Teilen der Regierungspolitik und der Meinungsforschung“, in deren Folge Sebastian Kurz als Kanzler abtrat. „Das ist auch im Ausland mit Bestürzung zur Kenntnis genommen worden.“ Am zweitstärksten habe sich die in Europa „einzigartige Inseratenvergabepraxis“ nach „Gutsherrenart“ auf das Ergebnis des Pressefreiheitsrankings ausgewirkt, erklärt der Kommunikationswissenschaftler.

Keine Qualitäts- und nicht boulevardorientierte Medienförderung

Das Ministerbüro von Susanne Raab wollte sich vorab nicht zu den kolportierten Zahlen äußern. Die ÖVP-Familienministerin ist erst seit Jahresbeginn auch für den Bereich Medien zuständig. Davor lag diese Verantwortung im Bundeskanzleramt, wo sie über Jahre Ankündigungspolitik blieb. Weshalb die Baustellen schon medienpolitische Folklore sind: Eine zeitgemäße, qualitäts- und nicht boulevardorientierte Medienförderung steht aus, die Reform der „Wiener Zeitung“ – immerhin älteste Zeitung der Welt – wird regelmäßig aufgeschoben, die Bestellung der ORF-Führung bleibt ein politisches Wünsch-dir-was, das Amtsgeheimnis ist weiterhin sakrosankt: Österreich ist laut Hausjell das letzte Land Europas ohne ein Informationsfreiheitsgesetz. 

Das Ergebnis für Europa zeigt einen Kontinent mit zwei Extremen der Pressefreiheit. Oben der nahezu makellose Norden mit skandinavischen Ländern, die erneut in einer eigenen Liga der Pressefreiheit agieren, unten Griechenland (103.), wo 2021 der Investigativjournalist Giorgios Karaivaz kaltblütig auf offener Straße ermordet wurde – auf gleiche Weise wie der ebenfalls investigativ tätige Publizist Peter R. de Vries in den Niederlanden. Dieses Einzelereignis ist hauptverantwortlich für den Absturz der Niederlande von Platz sechs auf Platz 28.

Vielerorts repressive Medienpolitik

Neben dieser Rückkehr der Journalistenmorde sind es zwei weitere Entwicklungen, die Europas Pressefreiheit im Vorjahr prägten: Die repressive Medienpolitik bis hin zur Illiberalität, geprägt von der politischen Führung Viktor Orbáns (Ungarn), Janez Jansa (Slowenien) und Mateusz Morawiecki (Polen). Besserungen gab es mit Regierungswechseln in Tschechien und Bulgarien. Auf einer anderen Ebene war es der Konflikt um die Coronamaßnahmen, die in zahlreichen körperlichen Angriffen auf Journalisten, auch in Österreich, resultierten. In 28 der weltweit 180 untersuchten Ländern ist die Lage mittlerweile „sehr ernst“, neu in dieser Kategorie ist Russland. Die Schlusslichter bilden Nordkorea, Eritrea und Iran.