Eine Studie des Medienhauses Wien analysierte das öffentliche Inseratenaufkommen im Jahr 2020 und kommt zum Schluss, dass der Boulevard übermäßig stark profitiert. Haben Sie aktuellen Veröffentlichungen dennoch überrascht?
ANDY KALENBRUNNER: Wenn es stimmt, was die Staatsanwaltschaft beschreibt, dann überrascht mich, dass in solcher Dichte Fälschungen, Inseratenaufträge als direktes Gegengeschäft und das ganze als Finanzierung aus Steuergeld über Scheinrechnung abgewickelt wird. Das wäre eine Verknappung vom Schlechtesten, was man sich vorstellen kann, von der Beziehung Politik und Medien. Nicht überrascht hat mich, dass es da eine Drift gibt zu bestimmen Medientiteln, das zeigt ja unsere Studie sehr deutlich.

Würde die Boulevardlandschaft anders aussehen, wenn es die Inseratenpolitik durch die öffentliche Hand nicht gäbe?
Wenn wir uns vorstellen, dass manche Häuser im zweistelligen Millionenbereich öffentliche Inserate bekommen aber gleichzeitig Bilanzen aufweisen, mit wenigen Millionen Gewinn, dann kann man sich vorstellen, dass es ein ziemlicher Einbruch wäre in deren Geschäftsmodell. Das andere ist, und das haben wir auch in der Studie gesagt: Man sollte die Inserate nicht als Förderung missverstehen. Inserate wären eigentlich eine Kommunikationsaufgabe und das ist ja auch okay. Was aber passiert ist eine Förderung durch die Hintertür, ohne Regeln, und sehr freihändig vergeben von Ministern und öffentlichen Stellen generell, nicht nur der Bundesregierung. Das ist natürlich nicht gut. Wir stehen da immer auf der Seite, es muss sehr viel mehr Förderung für Journalismus geben.

Viele werden jetzt sagen: „Das war immer schon so“. Wo ist der Unterschied zu Inseratenaffären wie jener von Faymann 2011?
Die Faymann-Aktion war ja der Ausgangspunkt, die Transparenzdatenbank zu schaffen, und zwar so, dass sie möglichst wenig wehtut und möglichst intransparent bleibt. Aber es gibt schon einige Unterschiede zwischen den Causen. Da sind einmal die Summen, noch nie wurde so viel Regierungsinseratengeld ausgegeben. Das war damals als Faymann als Verkehrsminister die ÖBB zu überzeugen versuchte, Inserate zu schalten, anders. Dennoch war das zweifellos eine Aufforderung zu etwas, was ihm nicht zugestanden ist. Aber es gibt einen graduellen Unterschied zu dem, was hier sehen – wenn es wirklich so stattgefunden hat. Wenn es wirklich so ist, was von der Staatsanwaltschaft auf 100 Seiten beschrieben wurde, dann ist das eine Form klassischer Korruption, politischem Gegengeschäft und noch dazu gibt es den Vorhalt der Finanzierung über versteckte Kanäle.

Was bräuchte es für ein Medientransparanzgesetz 2.0?
Da gibt es eine Vielzahl an Punkten, etwa das Schließen von Schlupflöchern. Es braucht vor allem eine professionelle Auswertung von der zuständigen Behörde. Ein jährlicher Bericht. Das was wir, das Medienhaus Wien, macht, müsste eigentlich die zuständige Behörde leisten. Ein simples Beispiel: Wenn Sie als Staatsbürger nachsehen wollen, wie viel das Finanzministerium zwischen 2016 und 2018 ausgegeben hat, können wir das nicht. Weil ein Teil des Gesetzes ist, dass nach zwei Jahren die Daten verschwinden. Was natürlich vollkommen absurd ist.