Trotz gewichtiger Positionen auf dem Küniglberg blieb Roland Weißmann in den letzten Jahren von der Öffentlichkeit unbemerkt, er stand quasi hinter der Säule. Und muss als designierter Generaldirektor des ORF nun aus der Deckung: „Ein ungewohntes Gefühl, aber es gehört dazu. Mir war von Beginn an klar, dass ich, wenn ich gewählt werde, in eine neue Phase eintrete und gewissermaßen zu einer Person des öffentlichen Interesses werde“, gesteht er im ersten Gespräch mit der Kleinen Zeitung nach seiner Kür durch den Stiftungsrat – und ergänzt: „Es ist neu, ich gehe aber so wie an alles andere mit Interesse und Neugier an die Sache heran. In erster Linie verstehe ich mich als Team-Player und halte es so, dass immer die ins Rampenlicht kommen sollen, die etwas Besonderes leisten oder eines der vielen tollen Produkte des ORF repräsentieren.“

Zu den Funktionen des gebürtigen Linzers zählt die des TV-Chefproducers (seit 2012), womit er ein jährliches Fernsehbudget von rund 300 Millionen Euro (ORF III ausgenommen) verwaltet: „Ich komme als Chefproducer, der für die Gesamtfinanzierung verantwortlich ist, nach den kreativen Ideen der Programmmacher ins Spiel, bin für die Herstellung der Produktion und das Budget zuständig“, beschreibt er seine Tätigkeit.
Als neuer ORF-Chef bleibt er Befürworter von Koproduktionen, auch mit Streamingdiensten: „Wir haben ja schon gemeinsam mit Netflix ,Freud‘ produziert. Ich bin offen für Kooperationen aller Art, sie müssen aber für beide Seiten Sinn machen. Weiter forcieren werden wir die Zusammenarbeit mit unseren Hauptkooperationspartnern, ARD, ZDF und den dritten deutschen Programmen wie MDR.“ Mit den osteuropäischen Partnern wurde schon ein Nachfolgeprojekt von „Maria Theresia“ für 2022 mit dem Arbeitstitel ,Hunyadi‘ fixiert, wie er verrät.

Sein Credo laute: "Jeder freie Euro ins Programmbudget! Wir können aber nicht mehr ausgeben, als wir haben."

Auch die Landkrimis oder andere Publikumshits wie „Die Toten von Salzburg“ oder „Vienna Blood“ lassen sich nicht im Alleingang stemmen: „An großen europäischen Koproduktionen als Gegenpol zu den Streaming-Giganten, die der neue ZDF-Intendant Norbert Himmler anstrebt, bin ich zudem interessiert. Und wir werden als ORF mit – nach unseren Möglichkeiten der Finanzmittel – unserer zwar eher kleinen, aber doch lauten und starken Stimme dabei sein. Das hat unter Programmdirektorin Kathrin Zechner in den letzten Jahren sehr gut funktioniert. Da ist dem ORF schon sehr viel gelungen.

Bei seiner ersten Pressekonferenz kurz nach der Wahl fiel auf, dass sich sein freudiger Ausblick auf das ORF-Programm erst einmal auf die kommende Staffel von „Dancing Stars“ (ab 24. September) und das Finale der „Vorstadtweiber“ (ab Jänner 2022) konzentrierte – was doch alte Hüte sind? Weißmann kontert blitzschnell – da kommt der Boxer durch: „Alt, aber gut! Die letzten ,Dancing Stars‘ waren bei den Quoten so gut wie schon Jahre nicht, und das Finale der ,Vorstadtweiber‘ als best gehende fiktionale Serie der letzten 20 Jahre, wird 2022 sicher ein Gassenfeger. Ich kenne ja die Drehbücher.“

Der 53-Jährige ist ledig, hat eine Freundin, keine Kinder, aber einen „Teilzeithund“. Und geht fast täglich in den Wienerwald laufen. Ein gestählter Körper also. Das hilft womöglich, wenn man als neuer ORF-Boss nicht gerade aus der Pole-Position mit großen Vorschusslorbeeren an den Start geht und ein SPÖ-Stiftungsrat erklärt, dass es „keine 100 Tage Schonfrist“ für Roland Weißmann geben werde? Der ehemalige Bürochef von Richard Grasl verweist in unserem Gespräch tatsächlich auf den Sport.
Er sagt über sich und seine Kritiker: „Ich bin Marathonläufer und habe einen langen Atem mit einer guten Einteilung. Was mich sicher auszeichnet: Ich bin ein konsequenter Mensch und lasse mich nicht so leicht aufschrecken irritieren – nehme gleichzeitig natürlich alles sehr ernst, was gesagt wird. Es ist auch ein Ansporn. Ich bin jemand, der sehr gerne arbeitet und motiviert ist. Und ich werde mich allen Fragen immer gerne stellen. Auch den kritischen aus dem eigenen Haus.“

In seinem Konzept ist es ja nicht so, dass kein Stein auf dem anderen bliebe – auch die von Alexander Wrabetz eingeführten Positionen der Channelmanager „bleiben in einer ersten Phase erhalten“.
Weißmann erläutert: „Ich bewerbe mich mit den bestehenden Strukturen, weil uns ja ohnehin große Transformationen bevorstehen – die Besiedelung des multimedialen Newsrooms und der digitale Wandel. Diesem gesamten Change der kommenden Periode will ich bekannte Strukturen entgegensetzen. Warum? Damit es auch vertraute ,Väter und Mütter‘ gibt, und die Mitarbeiter in diesem notwendigen Veränderungsprozess sich auch auf eine gewisse Stabilität verlassen können. Es muss nicht gleich alles komplett in den Strudel des Wandels hineinkommen, es ist ein gemeinsamer Weg.“

Vieles für die erste Häfte 2022 wurde schon vor der GD-Wahl am 10. August fixiert: "Fernsehen hat ja längere Vorlaufzeiten, für Events wie ,Starmania Reloaded‘ ab Februar 2022 sind sechs bis neun Monate Vorlauf notwendig. Die Handschrift und Ideen meiner Direktoren im Programm wird man ab Sommer/Herbst 2022 merken.“