Wenn heute das Plenum – nur virtuell – zum letzten Mal vor der Kür des ORF-Generaldirektors am 10. August zusammentritt, sind keine wegweisenden Entscheidungen des obersten Aufsichtsorgans zu erwarten. Die Tagesordnungspunkte reichen vom „Update Status multimedialer Newsroom“ über Statusbericht Digitalisierung und Jahresabschluss 2020 bis zu den Berichten des Programmausschusses sowie des Ausschusses für Finanzen und Technik. Dass der futuristische Sitzungssaal auf dem Wiener Küniglberg leer bleibt und sich die 35 Stiftungsräte nur per Skype treffen, gefällt etwa den neun Landesstiftungsräten und dem Vernehmen nach einer Mehrheit in den (sogenannten) Freundeskreisen nicht.

Der Hintergrund für leere Sessel könnte – salopp ausgedrückt – sein: Jetzt nur keine Wellen schlagen! Virtuell ist weniger Dynamik möglich, politischen Manövern kann eher ausgewichen werden, es lauern auch keine Journalisten vor der Tür. Dazu kommt, dass es bisher nur vom amtierenden Alexander Wrabetz eine Bewerbung für die ORF-Spitze gibt.
Spätestens am 30. Juni muss laut ORF-Gesetz der Posten des Generaldirektors ausgeschrieben werden. Dann muss der bürgerliche Roland Weißmann, derzeit ORF-Chefproducer und Projektleiter des ORF-Players, aus der Deckung kommen – oder nicht. Kolportiert wird, dass er sich mit seiner Verbündeten Christine Lackner (ehemals Büro Richard Grasl) als „Wahlkampfleiterin“ schon hinter den Kulissen darauf vorbereitet. Zumindest in einem Statement gegenüber "trend" hat sich Thomas Arnoldner, Geschäftsführer der Telekom Austria und Ehemann der Wiener ÖVP-Landesgeschäftsführerin Bernadette Arnoldner, aus dem Rennen genommen. Mal schauen, wie der Satz "Mein Herz gilt der Telekom" für den Blümel-Vertrauten gilt.

Der Sitzungssaal des Stiftungsrats im ORF-Zentrum
Der Sitzungssaal des Stiftungsrats im ORF-Zentrum © APA/GEORG HOCHMUTH

Stiftungsrat Heinz Lederer sagt klar zur Kleinen Zeitung: „Es haben sich das Unternehmen und seine 3000 Mitarbeiter verdient, nicht in den Geruch einer Öbag-Bestellung zu kommen. Daher sollen sich alle Kandidaten nach der Ausschreibung rasch klar deklarieren, damit ein transparenter, diskussionsorientierter Prozess gestartet werden kann.“
Mit 16 direkt der ÖVP zuordenbaren und zwei oder drei weiteren den Bürgerlichen nahe stehenden unabhängigen Stiftungsräten (Bernhard Tschrepitsch, Marianne Schüttner, Gudrun Stindl) existiert derzeit eine türkise Mehrheit. Diese Mehrheit könnte über die Bestellung des nächsten Generaldirektors im Alleingang entscheiden. Natürlich nur „zum Wohl“ des ORF.