Zwei Stunden Livestream: Der ORF hat am Samstag den Parteitag der Jungen ÖVP komplett übertragen. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht gerade übliches Vorgehen. Nicht nur für die politische Opposition, auch für Österreichs Twitteria war der Stream ein gefundenes Fressen: User sahen in der stundenlangen Übertragung unter anderem eine "unbezahlte Werbesendung" und "eine Unterwerfungs- und Anbiederungsgeste im Generalintendantenwahlkampf".

Tatsächlich ist der öffentlich-rechtliche Sender zur Neutralität gegenüber politischen Parteien verpflichtet. Thomas Prantner, der stellvertretende ORF-Direktor für Technik, Online und neue Medien, argumentiert auf Anfrage der Kleinen Zeitung mit dem Neuigkeitswert der Veranstaltung: Die Entscheidung für den Live-Stream, so Prantner, "erfolgte aus journalistischen Gründen, da im Programm des Bundestags ein Auftritt von Bundeskanzler Kurz angekündigt war und wir aufgrund der aktuellen politischen Diskussion rund um eine mögliche Anklage gegen den Bundeskanzler im Interesse einer aktuellen Information des Publikums live dabei sein wollten."

Zusatzservice

Die TVthek, die Prantner verantwortet, biete "als Zusatzservice für die Userinnen und User unkommentierte Livestreams von Veranstaltungen, Pressekonferenzen und Statements aller politischen Parteien. Die thematische Auswahl der Livestreams erfolgt nach journalistischen Kriterien und den Grundsätzen der Objektivität, Meinungsvielfalt, Ausgewogenheit und Gleichbehandlung aller Parteien." Die rechtliche Voraussetzung für derartige Live Spezia‘-Livestreams, so Prantner weiter, sei die Berichterstattung im linearen TV: "Diese ist mit einer Meldung über den JVP-Bundestag in der ZIB um ca. 22.00 Uhr erfolgt.“

"Gab keinen journalistischen Grund"

Ganz anderer Meinung ist da allerdings der ORF-Redakteurssprecher Dieter Bornemann: "Es hat aus meiner Sicht keinen journalistischen Grund gegeben, den JVP-Parteitag live zu übertragen", stellte er in einem Posting auf Twitter fest. "Die redaktionelle Bewertung war in der#ZiB1 zu sehen: Da ist die Veranstaltung nicht vorgekommen."