Die Amazon-Serie "Hunters" hat jede Menge negative TV-Kritiken eingefahren, nun hat das Format, das eine Gruppe "Nazijäger" im New York des Jahres 1977 zeigt, noch viel gewichtigere Kritik nach sich gezogen. Die Gedenkstätte des KZ Auschwitz bemängelt, dass die Serie eine sadistische Psychofolter zeigen würde, die so im KZ niemals stattgefunden habe. Eine solche unpräzise Darstellung öffne eine Türe für Holocaust-Leugner. Was ist an diesem Vorwurf dran?

Früher waren nicht wenige der Ansicht, dass die Darstellung der KZ-Gräuel ganz generell nichts für fiktionale Formate sei. Die unvorstellbaren Verbrechen, die in einem Konzentrationslager wie Auschwitz geschehen sind, wären dieser Meinung nach grundsätzlich nicht kompatibel mit einem Kinofilm oder einer Fernsehserie. Der Völkermord tauge nicht zur Nachstellung und schon gar nicht zur Unterhaltung.

"Schindlers Liste" und ein Gegenbeispiel

Diese Ansicht wurde im Lauf der Jahre aufgeweicht. Man argumentierte, dass man das Grauen zeigen müsse, um das Andenken daran zu erhalten, um möglichst vielen Leuten erzählen zu können, was geschehen ist. Wesentlich war dabei die TV-Serie "Holocaust" in den späten 1970ern. Aber auch Steven Spielbergs "Schindlers Liste" wurde zu einem zentralen Film der Hollywood-Darstellung des Holocaust. Spielberg bemühte sich zwar sichtlich um eine möglichst behutsame, genaue Darstellung, und dennoch hinterließ der Film zwiespältige Gefühle: Sind die schicke Schwarzweißfotografie oder so manches Spannungselement nicht eine kulturelle, ästhetische Ausbeutung des unausprechlichen Leids von Millionen? Der Film rief Debatten hervor, die heute fast vergessen sind. Längst ist der Film durch regelmäßige Wiederholungen in die Medienrealität eingebettet worden.

Ein drastisches Gegenbeispiel zu solcherlei Hollywood-Darstellung bot 1985 der Dokumentarfilm"Shoa" von Claude Lanzmann.Der zeigte, wie man das Grauen vergegenwärtigen kann, ohne den Respekt vor den Toten einer ästhetisierenden Darstellung zu opfern: Ein Film ohne Leichenberge, ohne historische Aufnahmen, sondern 8 Stunden lang ausschließlich Interviews mit Überlebenden und Bilder von den einstigen Schauplätzen. Ein Filmerzählung ohne Schminke und Filmkulissen, ohne Schauspiel und Kostüm, und ohne oberflächliche Spannungselemente.

Quentin Tarantino und seine Fantasiegeschichten

In Zeiten, in denen die Gegenwart des Vergangenen langsam schwindet, in dem der Holocaust zwangsläufig zunehmends historisiert wird (er ist nun 75 Jahre her), wird die fiktionale Darstellung immer freier und unbekümmerter. Quentin Tarantino hat für "Inglorious Basterds" gleich die Geschichte des 2. Weltkriegs umgeschrieben. Aber er tat das unter besonderen Voraussetzungen: Er zeigte nicht bloß jüdische Opfer, sondern jüdischen Widerstand - und zwar solchen, der triumphiert. Diese Geschichtsumschreibung ist aber wenig gefährlich, weil sie sich erstens erkennbar weit von den Fakten entfernt. Und zweitens niemals verheimlicht, dass es sich um eine Fiktion, um einen Film, der filmischen Gesetzmäßigkeiten folgt, handelt. Tarantinos Kino behandelt ja eher mythische Räume, keine Historien. So wie er in "Once upon a time...in Hollywood" den mythischen Raum Hollywood beleuchtet, so ist "Inglorious Basterds" eher ein Film über Filme, als über den zweiten Weltkrieg. Und die Schrecken des KZs, an die hat sich Tarantino zum Glück eh nicht herangewagt. Er ist ein Beispiel eines freien, aber nicht unbekümmerten Umgangs. (So wie akutell übrigens auch das großartige "Jojo Rabbit")  Einer der letzten prominenten Regisseure, der sich an eine KZ-Erzählung wagte, war Martin Scorsese in "Shutter Island". Seine Darstellung eines Massakers an SS-Wachmannschaften durch die US-Befreier ist aber historisch und atmosphärisch eher akkurat geworden.

Das Geschäft der Holocaust-Leugner

Das Problem der TV-Serie "Hunters" ist nun, dass sie Elemente erfindet, um die Spannung zu erhöhen. Man verwendet filmische Kniffe, um die Geschichte möglichst farbig zu gestalten. Es ist eine reißerische Darstellung, die die realen Vorkommnisse eigentlich verbieten würden. Darüberhinaus hält man sich nicht an die Fakten: Es ist sehr verständlich, dass die Gedenkstätte Auschwitz sich über "Hunters" empört. In Zeiten, wo verrückte Revisionisten immer noch (man muss eher sagen: stärker als je zuvor) anzweifeln, ob es den Holocaust überhaupt gegeben hat, muss man alle Vorsicht walten lassen. Man darf nicht das Geschäft der Holocaust-Leugner besorgen, indem man in gutem Willen Fake-Geschichten über KZs verbreitet. Und schon gar nicht wenn der Zweck Unterhaltung ist. Denn das ist, offen gesagt, einfach nur pervers.