Caroline Binder hat ein schweres Herzleiden, muss sich einer Operation unterziehen. Der Eingriff verläuft gut, einem neuen Leben steht nichts im Weg. Doch plötzlich scheint das Herz ein Eigenleben zu führen. Nichts ist mehr so, wie es war. „Herzjagen“ entstand nach dem Buch von JulyaRabinowich. Die Steirerin ElisabethScharang hat inszeniert. MartinaGedeck verkörpert Caroline. ORF 2 strahlt den Film am 13. November um 20.15 Uhr aus.

Die Initialzündung, so Autorin Rabinowich, erfolgte bei einer Preisverleihung: „Es ging um den Wiener Frauenpreis. TV-Direktorin Kathrin Zechner wurde für Unterhaltung ausgezeichnet, ich für Literatur. Relativ bald kamen wir auf meinen Roman ‚Herznovelle’ zu sprechen. Ich muss dazu sagen, dass ich Menschen bewundere, die andere Menschen retten. Caroline, meine Buchheldin, glaubt, durch den Arzt, der sie operiert, zu neuem Leben zu kommen.“

Julya Rabinowich war die Thematik alles andere denn fremd: „Einerseits habe ich meinen Vater durch plötzlichen Herztod verloren. Er war noch sehr jung, erst 50. Ich weiß daher genau, wie es ist, wenn man einen Menschen, den man sehr geliebt hat, auf diese ungewohnte und unerwartete Art verliert. Auch haben mir Menschen, die am Herzen operiert wurden, vom ganz besonderen Band erzählt, durch das sie sich mit dem Chirurgen verbunden fühlten“.

Als Regisseurin wurde die mehrfach preisgekrönte ElisabethScharang ausgewählt. Sie zeigte „Herzjagen“ bereits Ende August beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen und war von der Resonanz, die dieser nicht einfache Film erzielte, sehr überrascht: „Das ist ein reines Publikumsfestival. Zu den Vorführungen kamen vier Mal tausend Zuschauer. Von vielen wurde ich nachher angesprochen, und die Leute haben mir erklärt, worum es in meinem Film geht. . .“

Martina Gedeck mit Rainer Wöss.
Martina Gedeck mit Rainer Wöss. © ORF

Ob sie „Herzjagen“ als „Film in Moll“ bezeichnen würde? „Er beginnt vielleicht so“, sagt sie, „doch er ändert die Tonart. Ich denke, das ist so spannend, wie wenn man ein Musikstück in Moll aufführt, und auf einmal schlägt diese Komposition eine andere Tonart ein – und alle wachen auf. Solche Irritationen sind mir beim Fernsehen wichtig, dort brauche ich sie. Somit ist das Fernsehen das Medium, in dem ich alles ausprobieren kann, ausprobieren möchte.“

Unterschiede zwischen Mann und Frau

Interessant findet sie im konkreten Fall, wie verschieden Krisen bei Frauen und Männern wahrgenommen werden, zum Beispiel eine Midlife Crisis: „Bei Männer sagt man: Er hat halt eine Krise, daher hat er es schwer. Bei Frauen hingegen heißt es einfach: Sie nervt. Für mich war es vor allem genussvoll, einer großen Schauspielerin zuzuschauen, wie sie das macht, was sich viele Schauspielerinnen wünschen. Nämlich: einmal nicht so ‚nett’ zu sein. . .“

Martina Gedeck fand sehr rasch in die Grundstimmung der Geschichte, weil auch sie, wie Autorin Julya Rabinowich, einen ihr lieben Menschen sehr früh verlor: Ihr Lebensgefährte, der Schauspieler UlrichWildgruber, schied 1999 nach schweren Herzproblemen aus dem Leben: „Auch ich war damals mit dem Gefühl konfrontiert, auf einmal verlassen und unverstanden zu sein – weil ich so allein war. Ich fühlte mich gebrandmarkt und ausgeschlossen, litt unter Ängsten und Schmerzen. Um seine Trauer verarbeiten zu können, muss man sich wohl manchmal abkapseln. Vor eineinhalb Jahren starb auch meinen Vater. Das Gefühl, dass man nach dem Verlust eines geliebten Menschen plötzlich nicht mehr in sein Leben hineinpasst – ja, das kenne ich sehr gut“.

Ihre Emotionen beim Spielen vor der Kamera: „Es war interessant, all die Gefühlszustände von Caroline zu erforschen. Gerade Schmerz, habe ich erkannt, hat sehr viel mit dem Leben zu tun, mehr, als wenn man immer nur gute Laune hat. Und es ist sicher kein Zufall, dass uns viele Menschen, die depressiv sind, äußerlich als notorisch gut gelaunt erscheinen. Renitenz, Schmerz, Verlassenheit – das ist manchmal die Wolke, die einen beschützt. Bei der Filmfigur Caroline kommt auch Wut dazu, die Wut auf das Glück“.

Gedeck im Konzerthaus

Wer Martina Gedeck übrigens in Österreich einmal live auf der Bühne erleben möchte, dazu gibt es eine Chance: Am 1. Dezember tritt sie im Wiener Konzerthaus mit einer Lesung von Marlene Haushofers „Die Wand“ auf. Die Gedeck hat ja bekanntlich auch in der Verfilmung mitgewirkt. Bei der Lesung hat sie Violinbegleitung, mit Musik von Johann Sebastian Bach.