Es ist keine leichte Zeit für Otis Milburn: Während seine Mutter eine selbst äußerst aktive Sexualtherapeutin ist, hat es der Teenager auf der körperlichen Ebene noch nicht so weit gebracht. Zudem stehen die letzten Schuljahre auf dem Programm, die sich für den Außenseiter kaum weniger problematisch ausmachen. Doch in der neuen Netflix-Serie "Sex Education" kann aus der Not eine Tugend werden.

Die von Laurie Nunn konzipierte Serie, die seit vergangener Woche beim Streaminganbieter abrufbar ist, versucht gar nicht erst, sorgsam mit den Themen Sexualität, Nacktheit oder Pubertät umzugehen - da sticht man lieber gleich ins Wespennest hinein. Äußerst explizit, aber gleichzeitig mit viel Charme und einem Gespür für das, was noch zumutbar ist, erfährt man alles über den Schulalltag von Otis (Asa Butterfield gibt sich herrlich verklemmt) und seinem schwulen Freund Eric (Ncuti Gatwa), die beide ihren Platz suchen.

Denn während der eine nicht nur mit dem Beruf seiner von "Akte X"-Star Gillian Anderson dargestellten Mutter (und ihren äußerst lautstarken Aktivitäten im Schlafzimmer mit wechselnden Partnern) so seine Probleme hat, sondern auch selbst einfach nicht an sich Hand anlegen kann, sieht sich Eric Beschimpfungen und Drangsalierungen des Schulrowdys Adam (Connor Swindells) ausgesetzt. Dass sich gerade dieser, den Gerüchten zufolge äußerst gut bestückte Macho mit Erektionsproblemen herumschlagen muss, bringt schließlich eine unerhoffte Wendung in das jugendliche Drama.

Regisseur Ben Taylor findet in der ersten von insgesamt acht Folgen stets den richtigen Ton, wenn es um das Geschehen am weitläufigen Schulcampus geht. Dass ebenjenes so ziemlich jedem Sittenwächter die Schamesröte ins Gesicht treiben würde, ist wieder eine andere Geschichte. Aber schließlich geht es ja um Sexualerziehung. Immerhin kann Otis aufgrund der Expertise seiner Mutter, die er sich meist unfreiwillig anhören muss, eine neue Rolle als Therapeut für seine Mitschüler einnehmen - und wendet sein Wissen gleich als erstes bei Adam an. Die aufmüpfige Maeve (Emma Mackey) sieht darin sogar ein neues Geschäftsmodell.

Highschool-Drama und Sex-Komödie gehen bei "Sex Education" Hand in Hand. Dass die ganze Sache nicht peinlich wird, ist neben dem pointierten Drehbuch allen voran den Darstellern zu verdanken. Butterfield wirkt in seiner Naivität durchwegs sympathisch und authentisch, wenngleich sein mit Kunstpenissen und Kamasutra-Großdrucken beschmücktes Haus wohl jedem Jugendlichen einen Knacks verpassen würde. Und selbst wenn nicht: Eine mit so viel Offenheit ausgestattete Mutter wie Anderson ist in ihrer Klischeehaftigkeit einfach entwaffnend. Ergänzt um die ebenfalls mehr als solide aufspielenden Schulkollegen von Otis bietet "Sex Education" eine sehr gelungene Ergänzung des Comedysektors von Netflix.