Ein bisschen erinnert es einen an die Werbung für den Weihnachtsabverkauf (Knut!) eines wohlbekannten schwedischen Möbelhauses: Die Tannenbaum-Emojis fliegen in der Chatleiste gleich so durch die Gegend. Das müssen wohl eingefleischte Fans sein, denn außer viel Gegend ist die meiste Zeit nichts zu sehen. Zwölf Millionen Zuschauer haben im Vorjahr den tagelangen Livestream beim schwedischen Fernsehsender SVT verfolgt. 32 Kameras und Mikrofone, Drohnen und Wildkameras fangen die alljährliche Wanderung der Elche ein.

Auf ihrem Weg in den Norden passieren sie einen verkabelten Hightech-Korridor, der sie auf ihrer Reise „einfängt“. Und es ist nicht immer nur ein gemächliches Dahintrotten, sondern durchaus spektakulär, nämlich dann, wenn sie einen Fluss überqueren müssen. Schwimmen ist nicht das Problem, aber nicht selten bewegen sich die großen und schweren Tiere zu dieser Jahreszeit oft auf ziemlich dünnem Eis – und brechen nicht selten ein. Dann halten die TV- und Livestreamzuschauer naturgemäß den Atem an. Mit solchen Einlagen können diverse Gastauftritte von Füchsen, Schwänen, Krähen oder anderen Tieren nicht mithalten. Apropos mithalten: RTL+ strahlt heuer die Elchwanderung zum ersten Mal aus – als 14-tägigen Gratis-Livestream auf der Webseite.

Achtung vor dem Elch!
Achtung vor dem Elch! © IMAGO/imageBROKER/alimdi / Arterra / Sven-Erik Arndt

SlowTV nennt sich das Genre, das insbesondere die nicht im Ruf der Hektiker stehenden Skandinavier einen Namen gemacht haben. Jahrelang loteten sie die Grenzen der Langsamkeit aus, bis zum Exzess auskostend und ausgestattet mit dem Mut zum Bummelwitz. Eine Vorreiterrolle dieser televisionären Hartnäckigkeit nimmt der norwegische öffentlich-rechtliche Sender NRK ein, der mit dem Format „Minutt for Minutt“ seit 15 Jahren auch international auffällt. Eine 134-stündige Übertragung der Hurtigruten-Reise entlang der Küste war ebenso darunter wie achtstündiges Stricken oder 80 Stunden live von einem berühmten Vogelfelsen, direkt ins Wohnzimmer geliefert. Mit „Norway Live“ gibt es in Norwegen zudem einen Fernsehkanal der ausschließlich SlowTV zeigt. Der Vorbilder für das Genre sind es viele, reichen von der meditativen Malschule eines Bob Ross bis zum hierzulande bekannten Wetterpanorama.

Der Earth Day am Montag sollte daran erinnern, wie schützenswert unsere Erde und ihre ökologischen Kreisläufe sind. Diese Botschaft ist auch den allermeisten Naturdokumentationen gemein, wo das Idyll reiner und roher Natur auf die Fragilität dieser Ökosysteme trifft. Österreich hat in diesem Fernsehgenre zwei zugkräftige Institutionen: „Terra Mater“ steht seit mittlerweile 13 Jahren für hochwertige internationale Produktionen, hierzulande auf ServusTV zu sehen. Im ORF ist es „Universum“, das sich über Jahrzehnten einen hervorragenden Ruf erarbeitet hat. Das lässt sich auch verkaufen: Auf der Fernsehmesse MIPTV in Cannes erwarben viele Sender „Universum“-Episoden, von National Geographic bis zur italienischen RAI. Ein Privileg der linearen Sender sind Naturdokus schon lange nicht mehr – insbesondere Netflix investierte massiv.

„Unsere lebende Welt“ auf Netflix
„Unsere lebende Welt“ auf Netflix © Netflix
Universum „Portugal - Wildnis zwischen Land und Ozean“
Universum „Portugal - Wildnis zwischen Land und Ozean“ © Universum/ORF
Terra Mater: Tauchgang ins Unbekannte
Terra Mater: Tauchgang ins Unbekannte © Eyes on Wildlife
„Die geheimnisvolle Welt der Oktopusse“
„Die geheimnisvolle Welt der Oktopusse“ © National Geographic for Disney/Maxwel Hohn