Das „Tritsch-Tratsch-Girl“ (1979) von einst schließt das größte Kapitel ihrer TV-Karriere und ein bemerkenswertes der österreichischen Fernsehgeschichte. Mit der letzten Ausgabe von „Vera“ ziehen Vera Russwurm und der ORF heute einen Schlussstrich. Zumindest vorerst. „Ich habe ja nicht vor, den Bildschirm für immer zu verlassen“, betont die 64-Jährige im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. „Aber wichtig war mir jetzt, dass ich mit den wöchentlichen Sendungen aufhöre.“ Die Zukunft werde neue Projekte bringen, ist sie sicher, aber mit geringerer Taktzahl: „Jetzt brauche ich einmal eine Pause.“

Video: Stefan Verra über die Körpersprache von Vera Russwurm

Für die am Montag aufgezeichnete und heute in ORF 2 ausgestrahlte Abschlusssendung lud Russwurm, die auch schon Robbie Williams oder Michael Douglas im Studio hatte, bekannte heimische Gäste ein: Andreas Gabalier ist ebenso dabei wie der ehemalige Moskau-Korrespondent Paul Krisai und Falco-Musicaldarsteller Moritz Mausser.

Nicht fehlen dürfen Rückblicke auf die emotionalsten Momente aus 30 Talkshow-Jahren: wie jenem, als die Angehörigen des Bombenlegers Franz Fuchs und einige seiner Opfer bei Russwurm aufeinandertrafen. „Das hat sich so wunderbar ergeben, dass die Eltern und der Bruder von Franz Fuchs das Vertrauen in mich hatten und gekommen sind. Wir haben einige der Opfer kontaktiert und es ist uns auch gelungen, dass sie tatsächlich ins Studio kamen“, erinnert sich die Talk-Veteranin.

„Die Eltern hatten keine Ahnung, was der eigenbrötlerische Sohn da treibt. Dieser Mutter und dem Vater die Chance zu geben, einige der Opfer zu umarmen, das hat beiden Seiten, glaube ich, wirklich gutgetan. Das war ein selten schöner Moment.“

Das Durchstöbern des Archivs für die Vorbereitung der finalen Sendung löste in ihr einiges aus: „Vieles ist mir da wieder eingefallen, als ich es wieder gesehen habe, was mir nicht mehr präsent war.“ Was der Wienerin besonders imponierte: „Es war so eine enorme Kraft dahinter in dieser Sendung. Es war so lebendig, das Leben pur.“

Als Wolfgang Schüssel anklopfte

Im männerdominierten Fernsehgeschäft des vergangenen Jahrhunderts hat die mit dem Fernsehproduzenten Peter Hofbauer verheiratete Moderatorin das Genre „Talk“ in Österreich nachhaltig geprägt. Ihre Popularität und Bekanntheit wirkte bis in die Politik hinein, selbst eine politische Karriere war möglich, als ihr 2006 vom damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel die Position als Gesundheitsministerin in Aussicht gestellt wurde. Russwurm lehnte ab, blieb beim Fernsehen. Zumindest meistens: Als sie im letzten niederösterreichischen Wahlkampf eine ÖVP-Veranstaltung moderiert, gingen am Küniglberg die Wogen hoch. Vor dem Mikro sprechen möchte sie darüber nicht mehr, die Sache ist abgehakt.

Die freigewordene Zeit möchte die Mutter dreier erwachsener Töchter mit ihrer Familie verbringen, auch eine Reise nach Australien steht auf dem Programm. Dem Kommenden sieht sie pragmatisch und vorfreudig entgegen: „Das ist einfach das Leben und das Leben hat Abschnitte.“