Pandemie, Teuerungen, Inflation, das alles betrifft das Wiener Belvedere wie andere Museen auch, aber das Haus hat bekanntlich schon viele Unwägbarkeiten überstanden: 300 Jahre feiert die Schlossanlage heuer, die von Johann Lucas von Hildebrandt für Prinz Eugen von Savoyen erbaut wurde. Seit 2017 ist Stella Rollig die Generaldirektorin.

2023 feiern Sie 300 Jahre Belvedere. Angenommen, wir blicken 300 Jahre in die Zukunft: Gibt es dann das Belvedere noch? Und Museen?
STELLA ROLLIG: Ich weiß nicht, ob es noch Museen in dieser Form geben wird. Die Kunst und die Werke wird es noch geben. Das kulturelle und künstlerische Erbe gehört zum Menschsein dazu. Ich glaube, dass uns die Werte und das Wissen, das durch diese Werke vermittelt wird, nie unwichtig sein werden. Museen werden in 300 Jahren aber wohl anders funktionieren.

Wie denn?
STELLA ROLLIG: Möglicherweise wird kein Eintritt mehr zu bezahlen sein, sie werden kollektiv geführt werden. Sie zu besuchen, wird selbstverständlicher werden. Ebenso, auf die Vergangenheit zurückzublicken. Aber nicht nur die Vergangenheit wird in Museen eine Rolle spielen, sondern auch die unmittelbare Zeitgenossenschaft und der Aspekt der Zukunft, der aufgrund des kulturellen Erbes entworfen wird.

Die Welt ist längst vom Digitalen durchdrungen. Was ist der digitale Auftrag für Museen?
STELLA ROLLIG: Das Museum im digitalen Raum weiterzuentwickeln, ist eines der großen Themen. Ich sehe hier mehrere Stränge: Bildung und Wissensvermittlung, Zugänglichkeit und Niederschwelligkeit. Dazu gibt es erste Studien, die zeigen, dass sich museumsferne Menschen durch die Beschäftigung mit Online-Programmen spielerisch einen Zugang zur Kunst verschaffen, die Schwellenangst verlieren und Lust bekommen, selbst ins Museum zu gehen. Das widerlegt jede Sorge, dass Online-Kunst den Museumsbesuch obsolet macht. Ein großes Thema ist das Metaverse, das über virtuelle Räume hinausgeht. Die Fragen lauten: Wird es eine Präsenz von Museen, Akteurinnen und Akteuren geben? Ein Second Life, eine zweite Welt? Ob es eine geben wird, können wir noch nicht beantworten. Wir befinden uns in einer Versuchsphase – nicht nur das Belvedere.

Wie können wir uns ein Metaverse vorstellen? Eine Klimt-Schau im Belvedere 2.0.?
STELLA ROLLIG: Unser erster Schritt ins Metaverse waren die "Klimt-NFTs". Ein Teil des Belvedere, nämlich der Prunkstall mit der Mittelalterausstellung, ist schon online besuchbar. Wir glauben nicht, dass es aktuell der richtige Weg wäre, im Metaverse ein Museum mit Klimt-Ausstellung nachzubauen.

Warum nicht?
STELLA ROLLIG: Die Chancen, die das Metaverse bietet, sollten nicht so umgemünzt werden, dass wir eine reale, analoge Erfahrung ins Virtuelle übersetzen. Man sollte mehr Möglichkeiten der Interaktion nutzen; oder wir können Zeitreisen anbieten, zeigen, wie das Belvedere vor 300 Jahren ausgesehen hat. Wir haben das Glück, dass durch die Stiche von Salomon Kleiner die Räume dokumentiert sind.