Für ein paar Sekunden ist man geneigt, das hier alles für eine gute Inszenierung zu halten: Guillermo S. Quintana, Kurator der Banksy-Ausstellung in Wien, ist fotoscheu. Bei Fernsehinterviews verdeckt er gerne sein Gesicht und auf Fotos möge man hier bitte auch verzichten. Ansonsten ist er jedoch ganz redselig. Quintana ist ein Banksy-Fan, keine Frage: Er schwärmt in höchsten Tönen vom britischen Street-Art-Künstler und von der politischen Kraft seiner Botschaften. Aber man muss Banksy nicht selbst fragen, um zu wissen, was er von der Ausstellung hält, die Guillermo S. Quintana und etliche andere zusammenstellen und quer um die Welt schicken: Er hasst sie – wie er gerne auf seiner Homepage und auf seiner Instagram-Seite klarstellt. Den Glücksrittern jedoch, die mit reproduzierten Werken viel Geld verdienen, hat er übrigens selbst das beste Gegenargument geliefert: "Copyright is for Losers" (Copyright ist was für Verlierer).

Und so wird die Ausstellung "The Art of Banksy" in den Wiener Sofiensälen nicht die letzte dieser Art sein. Und wie sonstwo auch, wird sie vermutlich gut besucht werden. Denn in einer Welt, die das Faketum vielerorts schon zum Prinzip erhoben hat, wird gerade das kein Hemmschuh sein. So gesehen erwartet die Besucher nicht nur der Nachbau seines Venedig-Auftritts, sondern rund 100 Reproduktionen vieler seiner Graffiti, die er seit über 25 Jahren weltweit hinterlässt. Begleittexte schildern die Intention Banksys und die Hintergründe zum jeweiligen Bild. Drei Souvenirs vom Banksy-Hotel laufen als Originale, zwei zertifizierte Siebdrucke sind nicht ausgeschildert, die angekündigten drei Originale der Wiener Galerie Gerald Hartinger werden von der Galerie nicht zur Verfügung gestellt, so die Auskunft auf Anfrage. Zu sehen sind reproduzierte Klassiker wie "Girl with the Balloon" oder sein Keypiece, die Ratte, die sich auch im Nachbau seines angeblichen Badezimmers tummeln, das er während er Coronazeit auf seinem Instagram-Account (die echte Banksy-Galerie) gepostet hat. Oder auch Kate Moss im Marilyn-Monroe-Warhol-Style bis hin zum nachgebauten Banksy-Fantasieatelier.

Tut das weh? Warum sollte es? Man könnte sich über all das vortrefflich echauffieren. Kann man, muss man aber nicht. Spannender ist der Blick auf das Grundsätzliche, das übrigens in Form eines großen Transparents in den Sofiensälen hängt: "I don't know if street art ever really works indoors. If you domesticate an animal, it goes from being wild and free to sterile, fat and sleepy. So maybe the art should stay outside." (Ich glaube nicht, dass Street-Art in Innenräumen funktioniert. Wenn du ein wildes Tier domestizierst, wird es steril, fett und schläfrig. Es ist also besser, diese Kunst bleibt draußen."). Dieses Zitat stammt von Banksy selbst, er hat es 2010 gegenüber dem "Time Out"-Magazine geäußert und es sagt eigentlich alles darüber aus, wofür nicht nur Banksy, sondern Street-Art selbst steht. Es ist eine Kunstform, die das Momentum feiert: Auftauchen, abtauchen, Kunstwerk hinterlassen.

Street-Art ist nicht für die Ewigkeit gemacht, es sind Statements zur Zeit: Sie verschwinden räumlich, um digital immer und immer wieder aufzutauchen. Sie sind freigespielt von den Hürden des Kunstbetriebs. Ihr Depot ist das Internet, ihr Museum sind die Straßen. Man kann natürlich versuchen, Street-Art auszudrucken, aber das ist das Schöne an Kunst generell: Das Original und seine Wirkung sind nicht zu ersetzen. Das ist umso wichtiger bei der Street-Art, das Umfeld ist hier das entscheidende Trägermedium – gerade bei Banksy. Das Graffiti mit der EU-Fahne, auf der ein Handwerker einen Stern wegmeißelt, wurde nicht umsonst auf eine Fassade in Dover gesprüht. Seine immer wiederkehrende Kritik an der Asylpolitik deponiert er natürlich nahe einem ehemaligen Aufnahmezentrum für Flüchtlinge. Sein Hotel, das eine Kritik an der Nahostpolitik ist, steht in Bethlehem - wo auch sonst? Das alles kann man fotografieren, ausdrucken, vervielfältigen, man kann damit Geschäfte machen oder nicht. Aber eines muss klar sein: Das ist nicht die Idee von Street-Art und schon gar nicht die von Banksy.

Und doch sollte man der Ausstellungen nicht ihren Wert absprechen. Sie zeigt die unglaubliche Bandbreite eine der spannendsten Stimmen der Street-Art. Vielleicht bekommt der eine oder andere Lust auf noch mehr Kunst. Mit 17 Euro liegt die Eintrittskarte nämlich noch über dem Eintritt ins Kunsthistorische Museum. Eines ist sicher, dort wird man wohl eher unbekannterweise an Banksy vorbeilaufen als in den Wiener Sofiensälen.