Einem Zyklus unter dem Titel „Kreuzweg“ (2019) sind in derselben Technik ausgeführte Grafiken von Lastenträgern in der Kultum-Galerie gegenüber gestellt. Erwin Lackner, Gründungsmitglied der Gruppe 77, hat vor einigen Jahren eine zeichnerische Technik mit Artmarkern entwickelt, deren von Hand ausgeführte Ergebnisse wie Druckgrafiken anmuten. Die einzelnen Bilder des Kreuzwegs entsprechen den Stationen der Passionserzählungen. Es sind jeweils durch polychrome Schraffuren in geometrische Felder aufgelöste Kompositionen, in denen nicht bearbeitete Flächen als Leerstellen in Kreuzform erhalten bleiben. Während hier keine Personen dargestellt sind, haben die Figuren der nepalesischen Lastenträger, im assoziativen Vergleich, wohl auch „ihr Kreuz zu tragen“. Hier „handelt“ es sich allerdings um Haushaltsgeräte wie Kühlschränke mit Markenbezeichnungen. Der Ausstellungstitel „Kreuzfahrer“ ist mehrdeutig zu interpretieren und evoziert einerseits die durch Glauben motivierte Einnahme Jerusalems im Mittelalter, synonym damit das „Paradies“, anderseits das gegenwärtige Desiderat der Kreuzfahrten per Schiff – Luxus versus existentieller Betroffenheit.

Ein „Bootsrumpf“, eine Aluminiumplastik in Form eines Kanus, wird bei Lackner zum Hybriden zwischen menschlichem Körper und Objekt. Ölmalerei zeigt ausgesetzte Individuen und in einem großformatigen Ensemble aus 40 Ölbildern sind in fotorealistischer Manier Teller mit Speisen dargestellt, wie sie Foodblogger per Handy in die Welt schicken. Über den Werktitel attestiert Lackner die damit verbundene Obszönität, mit der Lebensmittel zum Geschäftsmodell der Bildermacher werden.

Erwin Lackner, „Bootsrumpf 1“, 2020, Alu, Nirosta
Erwin Lackner, „Bootsrumpf 1“, 2020, Alu, Nirosta © Wenzel Mraček

Ebenfalls im Kultum präsentiert, nennt die in Wien geborene und in Graz lebende Iris Christine Aue ihre Werkschau „HImmel&Hölle" nach dem gleichnamigen, lebensgroßen Objekt, an dem eine Frau in Rückenansicht das bekannte Faltspiel in der einen Hand hält. „mit dir“ nämlich, sei das wohl wie H&H. Aue schneidet auf Papier gezeichnete und aquarellierte Körper und Gesichter an ihren Konturen aus und vernäht die Teile zu nun reliefartigen Papierobjekten. In ihren Arbeiten thematisiert die Künstlerin Beziehungen zwischen Menschen auf durchwegs poetische Weise, wenn etwa einer Zeichnung handschriftlich und mit flüchtig wirkendem Bleistiftstrich die Aufforderung beigestellt ist: „Wenn Du von Liebe sprichst, vergiss die Disteln nicht.“ Herbarische Tagebücher aus der Serie „in meinen Garten“ enthalten unter anderem auch Disteln, ebenfalls gemalt und aus Papier geschnitten. Der Garten selbst, mit Verweis auf ein Paradies, besteht in der Figur einer jungen Frau vor nur einer Pflanze, umgeben von einem niedrigen Holzzaun. In ihrer Schau legt Iris Christine Aue verschlungene Wege an – über Metaphern von Pflanzen und Menschen.

Iris Christine Aue, vorne: „Heute nehme ich Dich“ 2019, Farb- und Bleistift, Aquarell auf Papier, hinten: „Rückzug“, 2015, Bleistift u. Aquarell auf Papier
Iris Christine Aue, vorne: „Heute nehme ich Dich“ 2019, Farb- und Bleistift, Aquarell auf Papier, hinten: „Rückzug“, 2015, Bleistift u. Aquarell auf Papier © Wenzel Mraček

Erwin Lackner. Kreuzfahrer.
Iris Christine Aue. Himmel&Hölle.
Bis 21. März. Kulturzentrum Minoriten, Graz. kultum.at