Frau Rollig, mit der Ausstellung „Stadt der Frauen“, die über 50 vergessene Künstlerinnen der Wiener Moderne ans Licht holte, haben Sie im Vorjahr viel Aufsehen erregt. Was bedeutet das in weiterer Konsequenz?

STELLA ROLLIG: Der Erfolg dieser Ausstellung hat meine eigenen Erwartungen übertroffen. Ich war begeistert über die Forschungs- und Entdeckerleistung von Sabine Fellner, die ein völlig neues Bild der Wiener Moderne entworfen hat. Der Katalog ist vergriffen, und in mehreren Kunstrückblicken erreichten wir Platz 1. Diese Ausstellung wird nachhaltig wirken, sie hat etwas losgetreten.

Was bedeutet das für die Forschung im Belvedere?

Dass wir am Thema dranbleiben. Heuer gibt es eine Schau über Elena Luksch-Makowsky, die in „Stadt der Frauen“ vertreten war. Kurator Alexander Klee wird Aspekte ihrer Herkunft und ihrer Laufbahn untersuchen, die bislang unterbeleuchtet sind. Sie war ein wichtiges Bindeglied der österreichischen zur russischen Moderne.

Lange wurde das Argument genannt: Kunst von Frauen bringe keine Massen ins Museum. Entkräftet so eine Schau das?

150.000 Besucher sind eine schöne Zahl. Ein veritabler Blockbuster ist es nicht. Österreich hat Aufholbedarf in puncto Entdeckungslaune – bei uns wird angeschaut, was man bereits kennt. Das ist international anders: Wenn das Guggenheim-Museum in New York die bis dato wenig bekannte Hilma af Klint ausstellt, landet es einen Publikumsrenner. In London und Düsseldorf standen die Leute bei der Textilkünstlerin Anni Albers an, das ist bei uns – noch – undenkbar. Doch es ist schön zu sehen, dass überall Kunst von bislang übersehenen Frauen und älteren Künstlerinnen gezeigt wird.

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Wie sieht das hierzulande aus?

Die Kunstmesse Art & Antique in der Hofburg schloss im November mit einem Schwerpunkt explizit an „Stadt der Frauen“ an. Das MAK zeigt heuer Künstlerinnen der Wiener Werkstätte. Jetzt scheint es mir ganz wichtig, diesen Spirit und das Bekenntnis zu weiblichen Positionen zu normalisieren. Es ist auch wichtig, den Kanon, der nun einmal männlich und weiß geprägt ist, zu erweitern.

2020 zeigen Sie neben Herbert Brandl, Gustav Klimt mit digitalen Mitteln und einer Schau über Salvador Dalí und Sigmund Freud auch Renate Bertlmanns Biennale-Arbeit von 2019.

Ja, wir bringen ihr Feld roter Messer-Rosen in den Carlone-Saal. Das wird wunderbar in diesen Raum passen, und es ist auch ein Teaser für eine größere Bertlmann-Schau 2022.

Sehen Sie Künstlerinnen aus Österreich, die aktuell dringend reif für eine große Ausstellung wären?

Wir bringen in diesem Jahr auch eine große Ausstellung von Maja Vukoje, einer österreichischen Malerin, die in diesem Umfang noch nicht gezeigt wurde. Es gibt viele Kandidatinnen, in den nächsten Jahren werden wir einige davon präsentieren.

Von Yoga bis Kino: Wie dehnbar muss man als Museumsdirektorin in puncto Events bleiben?

Man muss differenzieren. Unser Open-Air-Kino im Kammergarten reklamiere ich als museale Veranstaltung, das ist eine kuratierte Filmreihe. Ich habe jedenfalls grundsätzlich keine Scheu vor Events. Wir haben uns gegen Yoga entschieden und für ein neues Format namens „Bel Silenzio“.

Was darf man erwarten?

Dabei geht es um Entschleunigung, Verlangsamung, Achtsamkeit. Außerhalb der Öffnungszeiten, abends, werden in kleiner Runde in Stille Bilder betrachtet. Es geht ums Hinsetzen und Schauen.

Die neue türkis-grüne Regierung ist angelobt: Wie beurteilen Sie die im Regierungsprogramm verankerte Idee einer Bundesmuseen-Holding?

Eine Holding kann die Museen in der wirtschaftlichen Verwaltung stärken. Es ist allerdings unabdingbar, dass im wissenschaftlich-künstlerischen Bereich die Unabhängigkeit der einzelnen Häuser bestehen bleibt.