Alles begann mit einer Maus. In New York, wo Walt Disneys Zeichentrickfigur vor 90 Jahren ihre Weltpremiere in "Steamboat Willie" feierte, wurde nun die Pop-Up-Kunstschau "Mickey: The True Original Exhibition" eröffnet. Hier kann man sehen wie Micky Maus von einem schwarz-weißen, pfeifenden Dampfschiffskapitän zum Führer der ultimativen Popkultur-Gruppe, dem "Mickey Mouse Club", wurde.

Die neue Kunstschau im trendigen Meatpacking-Viertel von Manhattan hat einen modernen Touch, während sie der niedlichen Popikone Tribut zollt. Eine Fläche von 1.486 Quadratmetern wurde in Galerieräume aufgeteilt, kuratiert von Streatwear-Designer Darren Romanelli alias Drx, einem Spezialisten für die Dekontextualisierung und Dekonstruktion klassischer Marken wie Coca Cola, Converse oder Jaeger LeCoultre.

"Es gibt unglaubliche Installationen, in denen wir tief in die Geschichte von Mickey eintauchen", sagt Romanelli, der zwei Jahre lang mit den Walt Disney Archiven in Burbank, Kalifornien, zusammengearbeitet hat. Seine Kunstschau ist eine Sammlung von alten Artefakten, die in direktem Dialog mit einem Sortiment zeitgenössischer Künstler stehen, die Werke für die Ausstellung geschaffen haben.

Der legendäre erste Cartoon

In einer Videoinstallation mit dem Titel "Steamboat Redux" kann man den schwarz-weißen "Steamboat Willie"-Cartoon sehen, den ersten vertonten, öffentlich aufgeführten Zeichentrickfilm mit Micky Maus, wie die Figur im Deutschen benannt wurde. Gleich daneben haben 30 Künstler aus der ganzen Welt den Kurzfilm neu animiert. Man sieht also Szene für Szene gleichzeitig eine moderne und eine klassische Version. Ein anderes, wunderschönes Kunstwerk von Daniel Arsham zeigt eine überlebensgroße Micky Maus, die aus einer weißen Wand tritt, inspiriert von dem Cartoon "Thru the Mirror" aus dem Jahr 1936, in dem Micky in einen Spiegel läuft.

"Die größte Herausforderung bestand darin, die Künstler authentisch zu integrieren", erzählt Romanelli der APA. "Jedes Mal, wenn Sie zeitgenössische Kunst in eine Umgebung einarbeiten, in der es sich um eine alte, etablierte Marke handelt, benötigen sie Feingefühl, damit begeisterte Fans der Marke es genauso mögen wie die Fans der Künstler."

Die Räume zeigen Mickys Werdegang von seinen Anfängen als Skizze, über seinen ersten Stummfilm "Plane Crazy" (1928), seinen Durchbruch mit "Steamboat Willie", bis hin zu seinen Auswirkungen auf die Populärkultur als Muse für moderne Kunstwerke und Verbraucherprodukte. In einem Raum hängt ein Micky-Maus-Gemälde des legendären und allzu früh an Aids verstorbenen US-Künstlers Keith Haring, dem die Albertina in diesem Jahr eine Ausstellung widmete. In einem anderen Raum hängen alte Merchandising-Artikel, einschließlich einer alten Plüschfigur von Charlotte Clark aus dem Jahr 1930. Die Puppe, die unter vielen Sammlern als Prunkstück jeder Disneyana-Sammlung gilt, war das erste offizielle Stofftier, das jemals von Walt Disney Productions lizenziert wurde.

Der "Mickey Mouse Club"

Zur Ausstellung gehört auch eine Nachbildung des 1990er-Jahre Sets des "Mickey Mouse Club", jener Fernsehserie, die so lukrative Karrieren wie die von Britney Spears, Justin Timberlake und Ryan Gosling ankurbelte. Der interaktive Raum bietet zahlreiche Fotomöglichkeiten für Besucher und sogar einen Eisstand mit eigens für die Ausstellung kreierten Sorten.

Ein Dutzend Künstler und Künstlerinnen haben zur Schau beigetragen. Die Britin London Kaye hat ein Wandgemälde gehäkelt, inspiriert vom ersten in Farbe produzierten Micky-Maus-Film "The Band Concert" (1935). "Es ist wirklich für jeden etwas dabei", sagt Romanelli, "für Kunstsammler, Kunstkritiker und Disney-Fans". Der Kurator hat auch ein Werk beigesteuert: einen riesigen Bären, eingewickelt in alte Micky-Maus-Shirts, die er seit 20 Jahren sammelt.

Die Schau endet mit einer legendären Cosmic Cavern von Kenny Scharf, ein Zeitgenosse von Andy Warhol, Jean-Michel Basquiat und Keith Haring - alles Künstler, die Micky Maus in ihre Kunst einarbeiteten. Der 60-Jährige hat aus Micky-Memorabilia eine seiner berühmten psychedelischen Höhlen fabriziert, Räume in ultraviolettem Licht mit Neonfarben, für die er in den 1980er-Jahren bekannt wurde.

Das Erzählen von Geschichten

"Das ist etwas, wofür ich wirklich gekämpft habe", betont Romanelli, "um meiner Vision treu zu bleiben." Seine Herangehensweise an das Erzählen von Geschichten war schon immer disruptiv, erzählt er der APA. "Ich versuche, die Grenzen so weit wie möglich zu verschieben, um die Art und Weise herauszufordern, wie Konsumenten Medien und auch Produkte wahrnehmen."

Viele Produkte gibt es dann auch im Souvenirshop zu kaufen für die Besucher, die schon angefixt sind von der legendärsten Maus der Welt. Es ist ein perfekter Vermarktungskreislauf, und Disney nutzt Mickeys 90. Geburtstag als Gelegenheit, T-Shirts, Notizblöcke und Mausohrmützen zu verkaufen. Ein neuer Band des Taschen-Verlags für schlappe 200 US-Dollar (174 Euro) zeigt über 1.200 Abbildungen und seltene Entwürfe.

Nur ein paar Straßen weiter gibt es eine neue Andy-Warhol-Retrospektive im Whitney Museum of American Art. Das hätte dem großen Pop-Art-Künstler wohl gefallen. Er sagte einmal, dass sein Lieblingscharakter Minnie Maus war - "Weil sie mich Micky näher bringen kann."