New Work, Work-Life-Balance, sinnstiftendes Arbeiten – die Welt von heute hat sich, so scheint es, auch in der Sprache der glitzernden Social-Media-Welt angepasst: Begrifflichkeiten, verheißungsvoll in der Theorie, mit deutlichen Eintrübungen in der Praxis. „Hello. Today you have day off.“ (“Hallo. Heute haben sie einen freien Tag“) steht auf dem Banner von Jeremy Deller, das einen so freundlich im Grazer Kunsthaus begrüßt. Was für ein Geschenk der Freizeitgesellschaft, könnte man meinen, aber die euphemistische Floskel ist nicht nur Schönfärberei und blanker Zynismus, sondern brutaler Alltag: Es ist die Nachricht, die Arbeiterinnen und Arbeiter bekommen, die einen sogenannten Null-Stunden-Vertrag haben. Bezahlt wird nur, wer arbeitet. Dieses Arbeitsmodell ist in Großbritannien und den Niederlanden gang und gäbe. Während hierzulande die Debatte über 41 oder 32 Wochenarbeitsstunden geführt wird, schlägt anderswo das Prekariat mit voller Härte zu. 24/7 heißt die neue Ausstellung im Grazer Kunsthaus und sie legt den Finger unter anderem auf ein Paradoxon: „24/7, ein Begriff, der in den 1980ern geprägt wurde, spielt auf die Möglichkeit an, dass wir rund um die Uhr konsumieren können. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass rund um die Uhr gearbeitet wird“, erklärt Katia Huemer, die gemeinsam mit Martin Grabner die Ausstellung kuratiert hat.

Eine Schau zum Thema „Arbeit“ wäre ohne die Fotografie „Amazon“ (2016) von Andreas Gursky wohl nicht komplett. Hier verdichtet sich die Diskrepanz, wird jene scharfe Bruchlinie zweier Universen der Arbeitswelt sichtbar, in der Arbeitszeit und Freizeit zunehmend verschwimmt. Gursky, der in seinen Fotografien Hunderte Bilder kombiniert, zeigt ein unfassbares Panorama des Konsums. Was nicht zu sehen ist, entspricht ganz der Realität – die Menschen, die hier unter prekären Umständen genau das tun, was man landläufig unter „die Packl schupfen“ versteht.

Die Nicht-Sichtbarkeit hat auch damit zu tun, dass sie an Nicht-Orten stattfindet, in gigantischen Lagerhallen an der Peripherie: Knallig kommen sie daher, die Warnschutzwesten und Bundhosen, die Theresa Hattinger, Michael Hieslmair und Michael Zinganel gut sichtbar im Kunsthaus und außerhalb auf Fahnenstangen positioniert haben: leuchtendes Gelb, dicke Stoffe – Arbeitskleidung, die wie moderne Rüstungen daherkommen, in der alle stecken, die als Individuum in diesen gigantischen Zentren wie Ameisen zum Wohl des Kollektivs laufen.

Wie passend, dass die berühmten Ameisen von Peter Kogler als emsige Begleiterinnen auf dem Weg in die Ausstellung fungieren. Dort sitzt die „Repräsentantin“ von Louisa Clement 24/7 in der Ausstellung – eine Art Android, der mit drei Jahre alter KI operiert. Ein Reminder, daran, wie rasend schnell Technologie voranschreitet. Der große Umbruch in der Arbeitswelt, er steht uns erst noch bevor.

„Repräsentantin“ von Louisa Clement
„Repräsentantin“ von Louisa Clement © Susanne Rakowitz
Begleitung in die Ausstellung: Ameisen von Peter Kogler
Begleitung in die Ausstellung: Ameisen von Peter Kogler © Susanne Rakowitz
„Amazon“ von Andreas Gursky
„Amazon“ von Andreas Gursky © S. Rakowitz
© Susanne Rakowitz