So ganz sicher ist er sich nicht, ob er all das, was er hier ausgestellt hat, auch verkaufen möchte: Gerhard Sommer kennt die Diskrepanz zwischen Sammler und Galerist – vor allem, wenn es um Hermann Nitsch geht. Schon früh hat der Grazer Werke des vor zwei Jahren verstorbenen Aktionskünstlers gekauft: Was einst 14.000 Schilling gekostet hat, schlägt sich heute mit 140.000 Euro zu Buche.

Die aktuelle Schau ist also beides, eine Verkaufs- und eine Liebhaber-Ausstellung. Wobei der Schwerpunkt nicht auf der Malerei, Stichwort Schüttbilder, liegt, sondern auf dem Orgien Mysterien Theater. Jenes Gesamtkunstwerk, das der Künstler von Mitte 1950 bis Anfang der 1960er-Jahre erdacht hat. „Dass er das so konsequent durchgezogen hat, das ist einzigartig“, erklärt Sommer, der in der Schau unter anderem Fotografien, Skizzen, Notizen, mit Blut bespritzte Kaseln, aber auch noch die letzten Tische von der 114. Aktion zeigt. Die hat Hermann Nitsch im Juni 2003 in der Galerie von Sommer durchgeführt, ein Video davon ist in der Ausstellung ebenso zu sehen. 250 Liter Blut wurden damals gebraucht.

Einblicke in die Nitsch-Ausstellung
Einblicke in die Nitsch-Ausstellung © Rakowitz

Die Intensität, mit der Nitsch sich seinem Orgien Mysterien Theater gewidmet hat, zeigt sich in der Überfülle seiner Notizen, ausgewählte Blätter sind ausgestellt: Akribisch wurde jedes noch so kleine Detail festgehalten. Das betrifft auch die musikalische Arbeit: „Weil er keine Noten verstanden hat, hat er ein eigenes System entwickelt.“ Man kann das künstlerische Erbe von Hermann Nitsch als eigenes Universum bezeichnen, eines, das nicht immer alle verstehen oder verstehen wollen. Ein Umstand, der dem Galeristen nicht neu ist – auch bei potenziellen Kundinnen und Kunden. Eine interessierte Käuferin, die eines seiner Werke kaufen wollte, biss bei Sommer auf Granit. Der fatale Satz: „Ich mag den Nitsch überhaupt nicht.“ In Folge gab es eine intensive gemeinsame Aufarbeitung der Nitsch-Biografie. Drei Wochen später hatte der Künstler eine überzeugte Anhängerin mehr und Gerhard Sommer ein Nitsch-Werk weniger.

Akribisch: Anweisungen des Künstlers
Akribisch: Anweisungen des Künstlers © Rakowitz

Zwar hat sich der Preis nach dem Tod des Künstlers vor zwei Jahren zwar noch gesteigert, aber es ist immer noch Luft nach oben, erklärt der Galerist: „Für den internationalen Markt ist er zu billig. Wenn wir nicht in Österreich wären, könnten wir uns keinen Nitsch leisten.“ Einsteiger sind mit rund 5000 Euro bei Fotografien und Skizzen mit dabei. Aber auch von ihm nachbearbeiteten Editionen gibt es ab 4500 Euro – „da hat man einen echten Nitsch“, erklärt Sommer, der bei Nitsch früher oder später einen Preissprung erwartet: Ein nicht unwesentlicher Faktor sei das unlängst in Wien eröffnete Wiener Aktionismus Museum. Apropos museumsreif: Fast versteckt liegt er da in einem Regal, der Hut von Hermann Nitsch. Unverkäuflich, natürlich.

Hermann Nitsch starb 2022
Hermann Nitsch starb 2022 © Jürgen Fuchs

Galerienrundschau:

Room of Fine Arts
Die Zeit ist flüchtig, Kunst erdet: Michael Kienzer und Anneliese Schrenk stellen das Material in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Gemeinsam eröffnen sie einen Kosmos, der sich den Spielarten der Wahrnehmung widmet.
Room of Fine Arts, bis 28. Juni, Bürgergasse 5, 8010 Graz.

Artelier Contemporary
Naturbetrachtungen? Jein, Markus Huemer pendelt zwischen Natur, Kunst, Digitalisierung und Zynismus. Der getrocknete Blumenstrauß erwacht digital zum Leben, blüht als Gemälde auf. Echt? Nein, alles tote Blumen!
Artelier Contemporary, bis 12. Juni, Griesgasse 3, 8020 Graz.

Galerientage Graz
Vom 10. bis 12. Mai finden heuer in Graz wieder die Galerientage statt. 27 Galerien und Institutionen öffnen an drei Tagen ihre Türen: von der Galerie Reinisch Contemporary über Zimmermann Kratochwill bis hin zum ESC. Neben den aktuellen Ausstellungen gibt es gewohnt viel Programm: Gespräche mit Künstlerinnen und Künstlern, Führungen, Gesprächsrunden und Vernissagen. Im Museum der Wahrnehmung führt etwa Leiterin Eva Fürstner durch die „Roland Goeschl“-Ausstellung. Die Eröffnung findet am 10. Mai im Kunsthaus statt. galerientage-graz.at.