In ihrer ersten Karriere war sie Schauspielerin. In ihrer Geburtsstadt Wien, dann in Berlin; am Schillertheater spielte Mela Hartwig „Hedda Gabler“, „Lulu“, „Die Jüdin von Toledo“. 1921 heiratete sie den Grazer Anwalt Robert Spira und zog mit ihm in eine Göstinger Villa. Da war sie 28.

Sieben Jahre später erschien bei Zsolnay ihr literarisches Debüt: zweite Karriere. In den Texten ging es rund: Inzest, Vergewaltigung, Abtreibung, hysterische Schwangerschaft, Sadismus, Selbsterniedrigung; ihre erste Novelle „Das Verbrechen“ endet mit einem Vatermord. Alfred Döblin fand das toll, er förderte die expressionistische, feministische, unkonventionelle Autorin. Das wirkte nur bis 1929: Da publizierte Zsolnay Hartwigs Roman „Das Weib ist ein Nichts“. Der erregte so viel Aufsehen, dass das Hollywoodstudio MGM ihn verfilmen wollte, und zwar mit der göttlichen Greta Garbo.

Krieg und Emigration

Dann die politische Klimakatastrophe: Expressionistisch, feministisch, unkonventionell war nicht mehr opportun. 1936 konnte Mela Hartwig in einem Pariser Exilverlag noch ihre Erzählung „Das Wunder von Ulm“ veröffentlichen, eine Streitschrift gegen Antisemitismus und Nationalsozialismus. 1938 musste das jüdische Paar nach London emigrieren. Virginia Woolf freundete sich mit der Österreicherin an, das reichte für eine Anstellung als Sprachlehrerin; als Literatin blieb sie in England chancenlos.

„Ich bin einfach unbelehrbar, wenn ich immer noch mit mir selbst trotze ... Ich muss mich endlich einmal mit mir selbst abfinden, und ich glaube, es ist mein Schicksal, kein Schicksal zu haben.“ Das Zitat stammt aus ihrem Roman „Bin ich ein überflüssiger Mensch?“, entstanden 1930, erstveröffentlicht 2001 bei Droschl. Der Grazer Verlag hat das Interesse an Hartwig wiedergeweckt und sich mit mittlerweile vier Neu- und Wiederveröffentlichungen um ihr literarisches Werk verdient gemacht: 2002 mit „Das Weib ist ein Nichts“, 2004 mit „Das Verbrechen“. Die FAZ feierte die Autorin als „eine Erbin Kleists“, die „Zeit“ als „Pionierin im Beschreiben weiblicher Gefühlswelten“. Droschl-Chefin Annette Knoch nennt sie „einfach unvergleichlich. Sie hat bereits in den 20er-Jahren die noch junge Psychoanalyse literarisiert, sie hat stets Frauen in den Mittelpunkt der Handlung gerückt. Es gibt keine Zweite wie sie.“

Im Vorjahr brachte Knoch Hartwigs unveröffentlichten Roman „Inferno“ auf den Markt, einen kurz nach Kriegsende im Londoner Exil entstandenen Text, der sich mit dem Einmarsch der Nazis in Wien und seinen Folgen befasste. „Inferno“ war indirekt sogar Auslöser für die Neuaufstellung der Landeskulturpreise: Kulturlandesrat Christopher Drexler hat ihn gelesen und war dafür, die Kunst- und Kulturpreise des Landes nach Hartwig zu benennen, „weil es der Steiermark zur Ehre gereicht, mit ihren wichtigsten kulturellen Auszeichnungen an diese vertriebene und lange vergessene Künstlerin zu erinnern.“

DIE PREISTRÄGERINNEN UND PREISTRÄGER

Hanns-Koren-Kulturpreis für Heidrun Primas (51), Leiterin des Forums Stadtpark Graz MÖSTL
Hanns-Koren-Kulturpreis für Heidrun Primas (51), Leiterin des Forums Stadtpark Graz MÖSTL © (c) Simon Moestl www.onloph.com
manuskripte-Preis für Autorin Gerhild Steinbuch (36)
manuskripte-Preis für Autorin Gerhild Steinbuch (36) © Rowohlt Verlag/Bohm
Morgenstern-Preis der Kleinen Zeitung für Autorin Nava Ebrahimi
Morgenstern-Preis der Kleinen Zeitung für Autorin Nava Ebrahimi © Verlag
Förderungspreis für zeitgenössische bildende Kunst für das Kollektiv Total Refusal, Robin Klengel (31), Leonhard Müllner (32) und Michael Stumpf
Förderungspreis für zeitgenössische bildende Kunst für das Kollektiv Total Refusal, Robin Klengel (31), Leonhard Müllner (32) und Michael Stumpf © KK
Architekturpreisfür dasBürovonWolfgangFeyferlik(62) & SusanneFritzer(52)
Architekturpreisfür dasBürovonWolfgangFeyferlik(62) & SusanneFritzer(52) © KK

Die Preise heißen nun also Mela – und sind ab sofort mit einer Trophäe verbunden, die vom Künstler Andreas Heller gestaltet wurde. Diese erinnert ihrerseits an Mela Hartwig-Spiras dritte Karriere: die der bildenden Künstlerin. Heller hat ein Motiv aus ihrem Gemälde „Vase mit Blumen“ in Beton gegossen und mit dem Namenszug „Mela“ versehen. Das Bild der Wickenburg-Schülerin ist im Besitz des Joanneums und war in Graz zuletzt in der Schau „Moderne in dunklen Zeiten“ (Neue Galerie, 2001) und in der Hartwig-Personale „Der Tempel brennt“ (Landesbibliothek, 2013) zu sehen.


Mela Hartwig-Spira starb 1967 in London. Dorthin waren sie und ihr Mann bitter enttäuscht zurückgegangen, nachdem ihnen bei der versuchten Heimkehr nach Österreich 1948 sehr deutlich gemacht wurde, dass sie im Lande nicht mehr erwünscht waren. Restitutionsansprüche wurden verschleppt, der Kulturbetrieb verschloss sich ihr. Angeblich pflanzte die Künstlerin vor ihrem Londoner Reihenhaus drei steirische Tannenbäume, um sich an die Heimat erinnert zu fühlen. Die erinnert sich nun endlich auch angemessen an sie.