Mein Tag im anderen Land“, jene Erzählung, die Peter Handke in der Coronazeit als erstes Buch nach Erhalt des Nobelpreises veröffentlichte, wurde von der Kritik als autobiografisches Psychogramm gelesen. Und man erkennt auch in der Bühnenfassung von Michael Weger den Dichter, der mit männlichem Pathos, aber auch mit Selbstironie auf der Suche nach Erlösung ist. An den Roman „Die Obstdiebin“ lässt der Protagonist der schmalen Erzählung denken, ein Schriftsteller, der einst Obstgärtner war. Auch den schimpfenden Handke, der an die „Publikumsbeschimpfung“ erinnert, hört man heraus, wenn Michael Weger verwegene Grimassen schneidet und das Publikum ankeift: „Der oder die mit dem fliehenden Kinn ein gleiches Ärgernis wie die oder der mit dem vorstehenden, die Adlernasen genauso unschön wie die Stupsnasen, alle die kleinen Busen gleich schamlos wie die großen, (...). Häßlich, häßlich, verboten häßlich!“

Die Geschichte einer Dämonenaustreibung kommt natürlich nicht ohne biblische Motive aus, die religiösen Referenzen werden auch im Programmheft erläutert. Der „gute Zuschauer“, ein messianischer Fischer am anderen Ufer des Sees, führt den auf die gesamte Schöpfung wütenden Ich-Erzähler schließlich wieder auf den richtigen Weg. Einst war er belächelter und gefürchteter Außenseiter im Dorf, der mit zornigen, rätselhaften Reden alle verschreckte und nur auf einem alten Friedhof zur Ruhe kam, wo er sein Lager aufgeschlagen hatte. Am Ende seiner Lebensreise steht der Wille, anders zu sein, widerständig zu bleiben.

Michael Weger, der auch für Bühne und Regie zuständig ist, verkörpert diese radikale Selbsterforschung mit vollem körperlichen Einsatz: Vom anfangs bedächtig im Buch blätternden Dichter wird er buchstäblich im Handumdrehen zur sich selbst bezichtigenden Jammergestalt, zum rundumschlagenden Außenseiter, der nur zu Kindern sanft ist, und schließlich zum geläuterten Menschenfreund.

Ein Tisch, ein Stuhl vor einer Bretterwand und Platz, um durch die Zuseherreihen zu rennen, bilden das Bühnenkonzept im Villacher Kellertheater, das phasenweise für den rasenden Hausherren zu eng zu werden scheint. Doch immer wieder löst sich die Beklemmung im Publikum in Lachen auf – etwa wenn der erlöste Dichter verschmitzt grinsend erzählt, wie die Dämonen aus ihm fuhren: Sie stanken nicht, „es war eher so, als würden sie verduften“. Man nimmt Michael Weger in diesem ambitionierten Theaterprojekt in den rund eineinhalb Stunden das mühevolle Ringen um Erlösung ab, von Peter Handke kennt man das ja schon.

Michael Weger verkörpert die radikale Selbsterforschung mit vollem körperlichen Einsatz
Michael Weger verkörpert die radikale Selbsterforschung mit vollem körperlichen Einsatz © Klopf/nbv