Bei einem Oratorium wie dem „Messias“, das selbst zu Händels Lebzeiten dermaßen viele Revisionen erlebt hat, ist es schwer, von einer „ursprünglichen“ Fassung zu sprechen. Als Dirigent muss man da viele Entscheidungen treffen. Vor allem dann, wenn man mit dem Kärntner Sinfonieorchester kein Originalklangensemble vor sich hat und die spärlichen barocken Partitur-Anweisungen selbst ergänzen muss.

Die junge Wiener Dirigentin Katharina Müllner bewies am Sonntagabend im Konzerthaus viel Mut, indem sie sich für eine kleine Besetzung entschied: Cembalo und Orgel stellten den basso continuo bereit, sparsame Bläser verwehrten sich vordergründigen Fanfaren, während Chor und Streichern kaum Verschnaufpausen gegönnt waren. Gemäß dieser orchestralen Entschlackungskur nahm Müllner Kürzungen im dritten Teil vor, inspiriert wohl von Mozarts späterer Messias-Bearbeitung. Durch ihren viel jugendlichen Verve ausstrahlenden Stil ließ sie die Zeitlosigkeit von Händels Werk auferstehen, bahnte sich zügig ihren Weg durch die Fülle des Messiasschen Melodienreichtums, der vor allem dem großartigen Chor unter der Leitung von Günter Wallner Höchstleistungen abverlangte.

Katharina Müller
Katharina Müller © Carolina Frank

Einziger Wermutstropfen: Der mit einem Countertenor (Thomas Lichtenecker) besetzte Alt konnte sich trotz schöner Phrasierung kaum gegen das Orchester durchsetzen, während die Sopranistin Sarah Gilford zu dominant für eine barocke Singstimme agierte. Das kam vor allem in dem Duett der beiden zum Ausdruck: Die zwei Teile der Arie mit ihrem Wechsel von F nach B-Dur verlangen viel Feingefühl, gerieten hier aber eher zu einem Kampf David gegen Goliath.

Zum Schluss münden Spiccato-Figuren der Streicher in die vom Chor getragene „Amen“-Fuge, um damit – wie Stefan Zweig es einmal formulierte – ein „klingendes Stufenwerk bis in den Himmel zu bauen“. Von Gottesehrfurcht war trotzdem wenig zu spüren, der Abend zeugte stattdessen von einem sehr diesseitigen Mut zur Entschlossenheit. Der Respekt, den Müllner sich hier verschafft hat, gebührt ihr und ihr allein.