Beyoncé – Break my Soul

"I'm 'bout to explode!" Der Song, mit dem sich die Popwelt die Coronakrise tanzend vom Leib schüttelte. Beyoncés Dance-House-Floorfiller hat einfach alles – eine unglaubliche Energie, eine zwingende Mitsingmelodie und einen zukunftsweisenden Sound, der auf einer der wunderbarsten Dance-Nummern der 90er aufbaut: "Show my love" von Robin S., kombiniert mit einem Sample von "Explode" von Big Freedia. 

Eliza Rose & Interplanetary Criminal – B.O.T.A. (Baddest Of Them All) 

Wir tanzen weiter. Auch B.O.T.A. von Eliza Rose ist ein Tribute an die Dance Music der Neunziger Jahre, in diesem Fall UK Garage. Der Song, der von Pam Griers Blaxploitation-Film "Coffy" (1973) inspiriert ist, ging via Tiktok viral und brachte schließlich Eliza Rose aus dem britischen DJ-Underground an die Spitze der Charts. Das übrigens als erster weiblicher DJ im United Kingdom seit 22 Jahren. 

Salò – Apollonia sitzt bei Edeka an der Kasse

Der nächste Banger, diesmal nicht aus den USA oder UK, sondern aus Österreich: Der in Wien lebende Steirer Salò erfreut schon seit ein paar Jahren mit trashigen DIY-Synthie-Hits mit Postpunk-Appeal. Und stets tollen Texten: "Ich pack mein Herz ins Tiefkühlfach und trotzdem wird mir schwül, ganz schwül."

KEROSIN95 – Trans Agenda Dynastie

"Was gibt’s heute zum Mittagessen? Ich glaube Beef." Ganz schön aggro und provokant, was Kem Kolleritsch da rappt. Und ganz schön stark. Es geht um den Kampf gegen Transfeindlichkeit, um eine Abrechnung mit Heteronormativität und Geschlechterklischees. Gib's ihnen, Kem!

Deichkind – In der Natur

Deichkind schießen wieder einmal den Vogel ab. Oder gleich die ganze Natur, wo nämlich alles voll ist mit "Gekrabbel und Gestrüpp". Eine Abrechnung mit The Great Outdoors, wieder einmal mit einem Wahnsinns-Text ("In der Natur, da hab'n die Tiere keine Angst / Da gehst du einfach lang und krepierst dann irgendwann"). Und der schönsten Jodel-Einlage des Jahres.

Kendrick Lamar feat. Beth Gibbons: Mother I Sober

Es dürfte heuer nicht viele Jahresbestenlisten geben, die ohne Kendrick Lamar auskommen, so auch diese nicht. Aus dem Album "Mr. Morale & The Big Steppers" könnte hier jede Nummer stehen, geworden ist es schließlich der vorletzte Track, dem auch Beth Gibbons von Portishead ihren so traumhaft schönen Hauch von Stimme geliehen hat. Mother I Sober ist aber auch ein wichtiger Song: Es geht um das Ausbrechen aus dem Teufelskreis eines Familientraumas, darum, sich selbst zu heilen, um andere zu schützen. Schwäche zu zeigen, um stark zu sein.

Porridge Radio – Back to the Radio

"Lock all the windows and shut all the doors and get into the house and lie down on the cold, hard floor." Nach Deichkind könnte man vermuten, dass sich hier jemand vor der Natur rettet, doch Dana Margolin singt von etwas ganz anderem – dem überwältigenden Gefühl, alles zugleich fühlen zu können, den Kampf mit Emotionen. Super Indiepop, der vor allem von der verletzlich-eindringlichen Stimme Margolins lebt. 

Yeah Yeah Yeahs ft. Perfume Genius – Spitting Off the Edge of the World

Selten war die Angst vor Kollaborationen zweier absoluter Herzenskünstler auch wirklich unbegründet. Aber dass dabei solch eine Nummer für die Ewigkeit entsteht, ist selten. Karen O und Perfume Genius spucken hier gemeinsam vom Rand der Welt, ein kleiner Akt des Widerstands kurz vor dem endlosen Nichts. Es geht um nichts weniger als die Klimakatastrophe.

The Smile – You Will Never Work In Television Again

Beim ersten zufälligen Hören dieses schmissig-treibenden Garagenrocktracks nicht einmal geahnt: Bei The Smile handelt es sich um die neue Band von Thom Yorke von Radiohead, Jonny Greenwood sowie Tom Skinner von den fantastischen Afrobeat-Avantgardisten Sons Of Kemet sind ebenfalls dabei. Musikalisch geht es, zumindest bei diesem Vorab-Track aus dem Album "A Light for Attracting Attention", am ehesten zurück in die frühen Radiohead-Jahre, und nicht nur im Songtitel steckt eine große Portion Rohheit.

Orbital & Sleaford Mods – Dirty Rat

Und wieder ein nostalgischer Ausflug in die Neunziger: Damals gab es Orbital schon, sogar schon lange. In Sachen Rave kann dem britischen Duo deshalb auch niemand etwas vormachen. Politisch waren sie auch schon immer, weshalb eine Kollaboration mit den großartigen Grantlern Sleaford Mods logischer ist als man zunächst meinen würde. Herausgekommen ist ein Track, der "einfach ein Großbuchstabe" ist, wie Paul Hartnoll von Orbital meint. Großbuchstabe mit Ausrufezeichen!

The Düsseldorf Düsterboys – Ab und zu

Wunderbare sanft-harmonische Zwiegesang der altmodischsten Sorte, und dazu Texte mit dem Dada-Schalk im Nacken. Schon der Bandname der Düsseldorf Düsterboys ist ein Versprechen für zauberhaften Quatsch, das die beiden Essener (!) auf ihrem zweiten Album "Duo Duo" mehr als nur eingelöst haben. "Ab und zu / Schau’ ich mir selbst beim Kochen zu / Und was es gibt / Naja ich mach’ so gern Musik".

Trent Reznor & Atticus Ross – You Made It Feel Like Home

Luca Guadagninos "Bones and all" war heuer ein Film, der zugleich ins Herz und in die Magengrube getroffen hat wie wahrscheinlich nichts zuvor. Es geht um Outlaws, um Kannibalen, und um eine Liebesgeschichte. Das alles endet nach fast drei Stunden auf der Leinwand mit diesem Song. Und dem Glauben, dass alles gut werden könnte.

Spotify-Playlist

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