Giuseppe Verdis fünfaktiger, französischer "Don Carlos“ ist ein Wunderwerk: Wie der Komponist gerade anhand des pompösen Glanzes des Genres der in Paris beliebten „Großen Oper“ seinen Pessimismus hervorkehrt und wie diese allertraurigste Verdi-Oper innovativ zwischen Tradition und neuer Musiksprache experimentiert, ist selbst innerhalb seines epochalen Schaffens ein singulärer Fall. Dass die italienische, auf vier Akte verkürzte Fassung den „Don Carlo“ in Richtung Literaturoper dreht, wird von Regisseurin Jetske Mijnssen betont – ein klaustrophobisches Kammerspiel, wo sogar das Autodafé zum Albtraum des Königs wird.
Die Inszenierung hat dennoch ihre (beträchtlchen) Längen, die Spannung kommt aus dem Orchestergraben, wo der Dirigent Roland Kluttig mit fein modelliertem Klang Verdis geniale Instrumentationskünste genauso zur Geltung bringt, wie er das Drama in den vielen Duetten zuzuspitzen vermag. Bei der Wiederaufnahme klang manches noch nicht ganz rund und etwas nervös-angespannt, aber dieses Sängerensemble sollte man unbedingt gehört haben. Erstaunlich die vier „Grazer“ Stimmen. Neven Crnić stattet den Posa mit kultiviertem Bariton und schönem Legato aus, nur der dramatische "Punch" mag ihm ein wenig fehlen. Wilfried Zelinka gelingt ein machtvoll düsteres Porträt als Inquisitor, Daeho Kim hat als Mönch genauso einen markanten Kurzauftritt wie Tetiana Miyus als Voce.
Otar Jorjikia singt die Titelpartie mit feinem Chiaroscuro, dem spannenden Wechselspiel von Hell und Dunkel, wo die strahlende Höhe wie ein Lichtstrahl hervorbricht. Nicht diese Spitzenklasse erreicht der etwas pauschal singende Dimitry Ivashchenko als Philipp, die zu Schärfe neigende, aber Präsenz nicht schuldig bleibende Aurelia Florian als Elisabeth sowie die nur im Schleierlied überzeugende Alessandra Volpe als Eboli. Dennoch: Allein das Duell-Duett von Elisabeth und Carlo aus dem 1. Akt ist vor allem eines: große Oper.
Wiederaufnahme
Verdis "Don Carlo": Große Oper aus Graz
