Zugegeben: Die Geschichte um eine zu Unrecht des Diebstahls beschuldigte Hausangestellte hat ihre Längen und redundanten Elemente. Gioachino Rossinis „La gazza ladra – Die diebische Elster“ hat zwar eine berühmte Ouvertüre, wurde aber aus genanntem Grund über Jahrzehnte nur gekürzt auf die Bühne gebracht. Aber erst in seiner vollen, samt Pause und Applaus beinahe vierstündigen Pracht zeigt Rossinis musiktheatralischer Entwurf seine ganze kühne Schönheit. Der Komponist bringt die heiteren und tragischen Elemente dieser „Opera semiseria“ (eine Tragödie mit Happy End) in einen Schwebezustand, der an Monteverdi und Mozart erinnert. Und vor allem im zweiten Akt kündigen sich zwischen all den Verwirrungen Verdis Musikdramen an.

Der Regisseur Tobias Kratzer erzählt die Geschichte penibel nach. Das Ambiente erinnert an den italienischen Neorealismus, der Ort des Geschehens hat schon plündernde Soldaten gesehen, und auch Exekutive und Legislative sind alles andere als zimperlich. Kratzer betont die Gewalttätigkeit und Rücksichtslosigkeit, mit der Polizei und Justiz durch die (vermeintliche) Dorfidylle pflügen und auf die Lappalie eines Löffeldiebstahls mit Folter, Vergewaltigung und Hinrichtung reagieren. Die Komödien-Chargen richten sich zu heroischer Statur auf, die psychologische Zeichnung der Figuren ist so gelungen, dass selbst der eifernde Hass der bestohlenen Mutter nicht aufgesetzt wirkt. Dass sich die wahre Diebin, die Elster, zum Schluss über die Saliera im benachbarten Kunsthistorischen hermacht und manch anderer Gag dienen in diesem dichten Kriminalstück eher wie befreiende Komik.

Dirigent Antonino Fogliani lässt einen herben Wind durch Rossinis südliche Gefilde und durchs RSO Wien  wehen, was aber nur selten für Unordnung sorgt. Die Musik ist nachgepfeffert und drängend, die überwiegend schlank geführten Stimmen kommen zur Geltung: Maxim Mironov verfügt über einen fantastischen, höhensicheren Rossinitenor, Paolo Bordogna ist ein intensiver Vater mit Metall, Nahuel Di Pierro bringt für den Podestà einen flexiblen Bass mit. Diana Haller singt mit schön geführtem Mezzo und auch Marina de Liso gefällt als Mutter Lucia. In der Hauptrolle der Ninetta fällt Nino Machaidze aus dem Rahmen: die Sinnlichkeit der fülligen Stimme ist angesäuert, nicht ohne Schärfen gestaltet sie das geplagte Mädchen zur tragischen Figur um.