Jetzt sind es zwar auch schon wieder sechs Wochen seit dem großen Finale im Hof der Erlöserkirche, aber Erich Oskar Hütter glüht noch immer von den amikalen Begegnungen und nachbarschaftlichen Konzerten bei seinem so erfolgreichen Festival Sounding Jerusalem. Da muss man schon auch aufpassen, dass man sich im Gespräch mit ihm nicht zu sehr in allgemeine Fragen versteigt, die bei uns vielleicht zu einseitig belastet sind. Nach rund zwanzig Jahren Erfahrung in dieser Ecke der Levante kennt der Grazer Cellist und Konzertveranstalter die allgemeine israelische Sprachregelung und das unrühmliche palästinensische Schicksal nur zu gut.

„Ich brenne für Jerusalem“, lässt Hütter wissen, bevor man ihn überhaupt was gefragt hat, „man kann gar nicht für etwas anderes so brennen wie für Jerusalem“. Das klingt durchwegs nach Berührtheit, und diese offenkundige Befriedigung und emotionale Erfahrung für ihn als Musiker bringt er auch mit in seine „Nachbarschaftskonzerte“ vulgo „Hauskonzerte“ in Graz und Graz Umgebung, womit der Unentwegte gerade in der neunten Auflage steht. Wohnsiedlungen, Büros, Geschäftslokale mit und ohne Fliesen, Tiefgaragen und sogar ein Altstoffsammelzentrum sind die eher abseits der Klassikmaschinerie gelegenen Austragungsorte seiner intimen Konzertreihe, für die er Musikerinnen und Musiker einlädt und zusammenbringt, „wo man das Gefühl hat, dass sie auch zusammenpassen“. Mit den Klassikern ist es ja oft so ein Gefrett, gehöre es doch zu deren „Wesen, dass sie sich in vielen Etiketten bewegen“. Und beim klassischen Musiker Erich Oskar Hütter tauchen dann viele Fragen auf und ein „Gefühl, wo ich mich nicht mehr wohl fühle“.

Attribut „echt“

Das Erfüllen von Etiketten und Erwartungshaltungen im Klassik-Supermarkt, „dieses Gegenseitig-sich-Bestätigen“, zudem die Medien, die das meist gehorsam aufgreifen würden, sei ihm widerwärtig und wolle er nicht hinnehmen. Selbst das Finden ungewöhnlicher Konzertorte gehöre heute ja schon zu diesen Etiketten. Da ist was dran, zumal sich so manche Klassikfestivals in ihrer Hilflosigkeit abseits des üblichen Repertoires mit all seinen Erwartungshaltungen nicht mehr mit der eher fantasielosen Öffnung Richtung publikumsträchtiger Jazz- oder World-Virtuosen allein begnügen.

Das Attribut „echt“ steht bei den zehn Konzerten der Hauskultur nicht nur vor der Musik, den Orten, den Musikern und selbst den Partnern, sondern auch vor der Freude, „die bei den Künstlern aus vielen Nationen den Ton angibt“. Und alles „was in Richtung ,Star‘ geht“, würde da eben nicht hineinpassen. Da begegnen sich Musiker, „die ich von meiner Konzerttätigkeit kenne und einsammle und von denen ich ganz genau weiß, dass sie sich in einem solchen Setting wohlfühlen“. Das können auch ganz gewöhnliche Dinge des Alltags zwischen Sofa und Fliesen sein. Für Hütter sind das jene Settings, wo er sich zu Hause fühlt, wo Musiker zusammenkommen und er dem Publikum suggerieren könne, „ganz bewusst und spielerisch“ die Etiketten und Attitüden der Klassik zu demontieren. Denn es geht allein um Ausdruck, liege doch „die Stärke der Klassik in der subtilen Feinheit und der Klangfarbe“. Also dort, wo man auch allen Nuancen einen Sinn geben kann.