Die Geschichte der Oper

Bereits zum vierten Mal eröffnete die styriarte mit einem Fux-Opernfest, diesmal mit „Psiche“. Seit 301 Jahren wurde diese „Serenata da Camera“ des aus Hirtenfeld bei St. Marein stammenden Barockmeisters nicht mehr szenisch aufgeführt. Nur der Geiger Eduard Melkus, unter anderem mit Nikolaus Harnoncourt in der Welt der Alten Musik aufgewachsen, erweckte die Oper wieder zum Leben und spielte sie mit seiner Capella Academica Wien zumindest konzertant - bei einem Festival in Brünn (1968), bei den Festkonzerten im westfälischen Brühl (1977) und bei den Festwochen der Alten Musik in Innsbruck (1978).

Die Exklusivität der Komposition war zugleich deren jahrhundertlanges Schicksal und schob sie nach einmaliger Präsentation zunächst in die Archive und dann ins Vergessen. Denn Johann Joseph Fux, der steirische Hofkapellmeister zu Wien, schrieb alle seine 18 Opern anlassbezogen, damit der Kaiser der Kaiserin musikalische Geschenke machen konnte - oder umgekehrt. „Psiche“ erklang im November 1720 in der Wiener Hofburg. Die Opernaufführung war krönender Abschluss eines prachtvollen Festes zum Namenstag von Elisabeth Christine, Gemahlin von Kaiser Karl VI. und Mutter von Maria Theresia. Weil Fux zuvor einen schweren Gichtanfall erlitten hatte, musste Antonio Caldara einspringen und Teile des letzten Drittels ergänzen. Fux konnte seine Komposition für die 1722 erfolgte Aufführung am Geburtstag Kaiser Karls VI. vervollständigen.

Die Handlung des Märchens

Die vertrackte Liebesgeschichte des ungleichen Paares Amor und Psyche erzählte erstmals der aus Afrika stammende Dichter Apuleius. Seine „Metamorphosen“ aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus sind der älteste vollständig überlieferte Roman der römischen Literatur, und das mythologische Märchen von „Amor und Psyche“ darin ist der bekannteste Teil.

Dem berühmten Librettisten Apostolo Zeno gelang es, für die Kammeroper aus dem Tohu und Wabohu an Ereignissen ein relativ unkompliziertes Textbuch zu schälen. Hier Psyche, die jüngste und schönste der drei schönen Töchter eines Königs. Da Liebesgott Amor, der sich in die Sterbliche unsterblich verliebt. Dort Amors Mutter Venus, die als Inbegriff von Schönheit und Weiblichkeit eine irdische Rivalin ganz und gar nicht gebrauchen kann. Also folgt ein Spiel der Verbote, Verwirrungen, Verwünschungen, Verwechslungen und Verstecke. Am Anfang ist alles schlecht, aber am Ende wird alles gut. Sogar im so gestrengen Götterreich. Und außerdem wird zuletzt auch noch der Allerschönsten im Land gehuldigt – der Kaiserin Elisabeth Christine.

Die Aufführung in Graz

Eine eigens für Graz erstellte Fassung - leicht gekürzt und mit einigen von Caldara ergänzten Nummern – bildete nun den Auftakt zum Klassikfestival styriarte, das sich heuer dem Motto "Lust" verschrieben hat und bis 25. Juli dauert. Ersteindruck: Vier Götter spielten mit, allerdings leider nicht der Wettergott, und das, obwohl ja ein Jupiter im Ensemble stand. Jedenfalls musste man mit den zwei Terminen am Freitagabend, die im so passenden Ambiente des Parks und Hofs von Schloss Eggenberg geplant waren, in die List-Halle ausweichen, wo für den meteorologischen Notfall eine idente Bühne aufgebaut ist.

In diesem "Ausweichquartier" inszenierte Adrian Schvarzstein, wie Jūratė Širvytė auch schauspielerisch stumm mit dabei, in strenger barocker Art. Figuren sind Figuren, fast wie auf einer Spieluhr. Diese Manieriertheit überrascht etwas bei dem aus Argentinien stammenden und in Barcelona lebenden Regisseur, hat er doch in Graz bei La Strada oder eben der styriarte - vor allem in Komödien und Zirkusstücken - schon oft bewiesen, dass er Geschichten anders zu deuten, "weiterzudrehen" weiß. Etwas mehr Elan hätte man sich in jedem Fall  gewünscht auf der eher engen Bühne.

Diese stammt einmal mehr von Lilli Hartmann, wie auch die fast bis zur Karikatur ausgereizten Kostüme. Zwischen stilisiertem Fluss, Fels, Springbrunnen und einer Empore mit einer Chaiselongue spielt sich das Drama ab, in dem Psyche ihren Amor lieben, aber - so ein Gelübde - nicht zu Gesicht bekommen darf, denn "sieh dein Glück in der Seele, nicht in den Augen", wie dieser sagt. Aber dann gibt es doch diesen einen Blick, in der Nacht, als Amor schläft. Und der ist nicht ein Monster, wie man Psyche eingeredet hat, sondern ein "Monster an Schönheit"...

Diese Fux-Oper ist eine glänzende Entdeckung aus der Schatzkiste des Barockkomponisten, und das liegt an der wirklich prachtvollen Musik: Farbenreich, spritzig, süß in den melancholischen Passagen, voll dramaturgisch richtiger Tempi und Dynamiken ist die Partitur - und dabei bei Alfredo Bernardini, der sitzend dirigiert, und den Seinen in den richtigen Händen. Das Barockensemble Zefiro, fast auschließlich mit Frauen besetzt, präsentiert die Fux'schen Klänge mit Esprit und Verve, der von Erwin Ortner einstudierte Arnold Schoenberg Chor Wien gibt das Grazien-Volk präsent und mit kleinen Soli und Ensembles aus den eigenen Reihen.

Die beiden Hauptdarsteller zählen quasi schon zum Stamm der Fux-Opernfeste: Die Römerin Monica Piccinini gibt die Psyche mit biegsamem lyrischem Sopran und berührt als Opfer im Spiel der Göttermächte. Der aus der Lombardei stammende Raffaele Pe überzeugt in der Rolle des Amor mit kernigem, ausdrucksstarkem Counter. Die Mailänderin Carlotta Colombo ist als Venus eine eitle Geckin und weiß ihren runden Sopran als Furie auch messerscharf zu schleifen. Der römische Bassbariton Giacomo Nanni hat als versöhnlicher Göttervater Jupiter erst am Ende seinen markanten Auftritt. Und der Südafrikaner Christopher Ainslie kann mit seinem firmen, aber etwas einfarbigen Counter stimmlich mit dem Quartett nicht ganz mithalten, versucht aber aus der Rolle des Merkur auch schauspielerisch mehr herauszuholen.

Den Premierentag einbegleitet hatten eine Fanfarenmusik im Auftrag der styriarte von Flora Geißelbrecht und die Spafudla um Geigerin Lucia Froihofer, unter anderem mit einem ste/irischen Gruß und einer Coverversion aus der Renaissance, als hätte John Dowland mit Gary Burton gemeinsam komponiert. Sie sind auch am Samstag oder Montag zu hören, und wenn man dabei hoffentlich bei Schönwetter auch noch die Atmosphäre von Schloss Eggenberg mitgeschenkt bekommt, dann wünscht man sich nach dem Fux-Opernfest Vol 4. bestimmt noch mehr ... Vol 5., Vol. 6, Vol. 7...

Monica Piccinini als Psyche und Raffaele Pe als schlafender Amor
Monica Piccinini als Psyche und Raffaele Pe als schlafender Amor © styriarte/Nikola Milatovic