Wenn selbst die Stille knistert, wenn die Orchestermusiker dazu angehalten werden, die Noten möglichst geräuschfrei umzublättern und wenn jede Intonationstrübung zur Wiederholung einer Stelle zwingt: Dann ist Studioaufnahme. An vier Abenden in der Karwoche verwandelt sich der Zuschauerraum der Grazer Oper in ein Aufnahmestudio. Dirigent Daniele Squeo leitet die Musikerinnen und Musiker bei "Der Florentiner Hut" von Nino Rota, einer Opernkomödie aus dem Jahr 1955.

Rotas Werk ist eigentlich das jüngste einer immer längeren Liste von Produktionen, die wegen der Coronamaßnahmen in Graz nicht gezeigt werden können. Jacques Offenbachs Operette "Die Großherzogin von Gerolstein" (geplante Premiere am 16. Jänner) wurde ebenso abgesagt wie Richard Wagners "Der fliegende Holländer" (geplante Premiere am 13. März) und das Ballett "Undine" (geplant gewesen ab 10. April). Den "Florentiner Hut" hätte man ab Mai zeigen wollen. Ob man die fertiggeprobten und spielbereiten Herbstpremieren von "Madama Butterfly" und "Die verkaufte Braut" dem Publikum noch bis Saisonende Ende Juni zeigen kann, ist mehr als fraglich.

Daniele Squeo dirigiert die Aufnahme von "Der Florentiner Hut"
Daniele Squeo dirigiert die Aufnahme von "Der Florentiner Hut" © Oliver Wolf/Grazer Oper

Also nutzt man die Zeit: Noch bis Donnerstag (1. April) laufen die Aufnahmesitzungen, um "Der Florentiner Hut" wenigstens als CD-Einspielung umzusetzen. Es ist zugleich die Fortsetzung der Aufnahmeprojekte der Grazer Oper, die immer noch zu wenig bekannt sind. Immerhin hat man in den letzten fünf, sechs Jahren eine ganze Reihe von Einspielungen bei den Labeln Oehms und cpo (siehe Infokasten unten) vorgelegt. Diesmal ist das Label Capriccio an Bord gegangen. Der Reiz der Rarität war wohl sehr verführerisch: Derzeit ist keine Aufnahme von "Il cappello di paglia di Firenze"greifbar: Weder die Studioaufnahme unter dem Komponisten, noch der mit Juan Diego Flórez besetzte Mitschnitt von der Mailänder Scala aus dem Jahr 1998.

Bei den Aufnahmesitzungen in Graz wird schnell das Genie Rotas greifbar: Der wurde ja als Filmkomponist u. a. für Federico Fellini weltberühmt. Aber auch "Capello" zeigt seine schwungvolle, der italienischen Folklore abgelauschten Melodik, und eine zwischen romantischer Emphase und Parlando changierende Musik, die voller Witz und Esprit steckt. Mit dem Tenor Piotr Buszewski hat man ein kraftvolles Zugpferd im Ensemble, dem auch Tetiana Miyus, Dariusz Perczak, Martin Fournier und viele andere Sängerinnen und Sänger angehören. Die Platte soll entweder im Herbst 2020 oder im Frühjahr 2021 erscheinen, und die Grazer Oper darf schließlich in der Saison 2021/22 mit sich selbst in Konkurrenz treten: Dann nämlich startet man den nächsten Versuch, die Oper auch szenisch auf die Bühne zu bringen.